1871 wurde die Technische Universität in Budapest gegründet,
weitere Universitätsgründungen folgten 1872 in Kolozsvár
[Klausenburg] und 1912 in Pozsony [Preßburg] und Debrecen. Die Akademie
der Wissenschaften (s. Bild)
wurde erweitert, Akademien für die bildenden Künste und Musik (s.
Bild) kamen neu hinzu. Zahlreiche Museen (s.
Bild) und Bibliotheken wurden ebenfalls neu gegründet.
Nach der Jahrhundertwende manifestierten sich die in Politik und Gesellschaft
auftretenden Spannungen zwischen dem jede Reform ablehnenden Konservatismus
und dem grundlegende demokratische Reformen fordernden bürgerlichen Liberalismus
auch im kulturellen Leben Ungarns. Vor allem in der Literatur fand eine geistige
Konfrontation zwischen diesen Richtungen statt. Mit der Gründung von
gesellschaftspolitischen (Huszadik Század) und kulturpolitischen
(Nyugat, s. Bild
1, Bild 2) Zeitschriften
sowie Vereinigungen (Galilei-Kreis) wurden die Foren (s.
Kosztolányi, Karinthy)
geschaffen, in denen die Vertreter der geistigen Opposition aller Kultur-
und Wissenschaftsbereiche zu Wort kamen, und die dadurch zu den wichtigsten
Trägern der geistigen Erneuerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden.
Unter den Schriftstellern (s.
Bródy, Kaffka,
Vajda) war es besonders
Endre Ady (s.
Bild 1, Bild 2),
der mit seinen Gedichten (s.
Gedicht) die Literatur grundlegend erneuerte und ein neues Ideal des Ungarntums
aus der Perspektive der radikalen Reformergeneration heraus beschrieb.
Er war ein Prophet des ungarischen Schicksals, der sich entsprechend politisch und gesellschaftlich engagierte und damit auch zur Zielscheibe behördlicher Maßnahmen wurde. Den Ausweg aus dem Dilemma der ungarischen Musik fanden Béla Bartók (s. Bild) und Zoltán Kodály (s. Bild). Ihnen (s. Bild) gelang es, die aus der systematischen Sammlung der Volkslieder der verschiedenen Völker des Karpatenbeckens gewonnene archaisch-volkstümliche Substanz in die neue Formen-sprache der modernen europäischen Musik umzusetzen und über Ungarn hinaus bekanntzumachen. In der bildenden Kunst stellte die Jahrhundertwende einen weniger markanten Einschnitt dar, die vorherrschende traditionsbewußte akademische Malerei ließ keine großen Änderungen zu. Neue Strömungen (s. Die Acht) zeigten sich am ehesten noch in den Bildern von József Rippl-Rónai, der zu den bedeutendsten Vertretern des Jugendstils avancierte, und von Tivadar Csontváry Kosztka, der mit symbolträchtigen biblischen Motiven eine magische Welt schuf. Vor allem in der Architektur (s. Ybl, Steindl, Schulek, Hauszmann) entstanden um die Jahrhundertwende zahlreiche bedeutsame Zeugnisse der Eklektizismus genannten ungarischen Variante des Jugendstils (s. Bild 1, Bild 2).