In dieser widersprüchlichen Situation bestand Einigkeit
nur darin, den zur Krönung (s.
Bild) von Leopold II.
(1790-1792) einberufenen Landtag (s.
Bild) auszu-nutzen, um die mit der Thronbesteigung verbundenen Formalitäten
als Druckmittel für den Schutz der feudalen Verfassung und der damit
verknüpften Herrschafts-privilegien des Adels, sowie für die Beschränkung
der Herrscherrechte einzusetzen. Die Vorstellungen gingen aber weit auseinander.
Ein radikaler Teil des Adels vertrat die Auffassung, daß Joseph
II. den Vertrag mit dem ungarischen Volk gebrochen habe, und daß
deshalb die ungarische Nation das Recht habe, die Habsburger zu übergehen
und einen König frei zu wählen. Man war sogar bereit, bewaffneten
Widerstand zu leisten. Unter Volk bzw. ungarische Nation verstand diese Gruppe
aber lediglich den privilegierten Adel. Man bediente sich also revolutionärer
Ideen zur Festigung einer feudalen Verfassung. Auf der anderen Seite des Spektrums
gab es in Kreisen der ungarischen Intelligenz, die allerdings über keinen
politischen Einfluß verfügte, durchaus Sympathien für die
aufklärerischen Maßnahmen Josephs II. Sie forderten im Sinne einer
bürgerlichen Umge-staltung der Gesellschaft politische Rechte auch für
die Nichtadligen.
Auf dem Landtag forderten dann die Stände von Leopold eine Erklärung zur weitgehenden Einschränkung seiner königlichen Machtbefugnisse, zur nahezu völligen Wiederherstellung der Unabhängigkeit Ungarns und zur Übergabe der Regierungsgewalt an den Landtag. Nach zahlreichen politischen Schachzügen und unter dem Eindruck der Entwicklung der Französischen Revolution sowie der Forderungen des Bürgertums, der Bauernschaft und der nichtungarischen Nationalitäten und den daraus resultierenden gegenseitigen Zuge-ständnissen kam es schließlich zu einem Kompromiß zwischen dem Habsburger und den ungarischen Ständen, der in Form mehrerer Gesetzesartikel nieder-gelegt wurde. Die Wahrung der Ständeverfassung wurde vom Herrscher weitgehend garantiert. Der Gesetzartikel X/1791 besagte, daß Ungarn ein unabhängiges Land sei, das nur nach seinen eigenen Landesgesetzen regiert werden dürfe. Und im Gesetzartikel XII/1791 anerkannte der König, daß das Recht, Gesetze zu erlassen, aufzuheben oder auszulegen, dem König und dem Landtag gemeinsam zustehe. Des weiteren wurde dem Landtag das Recht verbürgt, Steuern zu erheben und Rekruten zu stellen.