Die erste ungarische Regierung nach dem Ausgleich wurde von
den Anhängern der Deák-Partei getragen. Zum verantwortlichen Minister
ernannte der König Graf Gyula
Andrássy (s.
Bild). Er stammte aus einer der reichsten Magnatenfamilien Ungarns, war
nach der Niederlage der Revolution 1849 emigriert und in Abwesenheit zum Tode
verurteilt, später jedoch begnadigt worden. Die Regierung (s.
Bild 1, Bild 2)
genoß in der ungarischen Öffentlichkeit ein sehr hohes Ansehen,
da in ihr zahlreiche Kabinettsmitglieder vertreten waren, die bereits der
Revolutionsregierung 1848 angehört hatten, wie z.B. Baron József
Eötvös (s.
Bild) und Ferenc Deák.
Die Regierung war einem bürgerlichen Liberalismus verpflichtet. Sie wurde
aber schnell mit einer starken Opposition in den Komitatsverwaltungen konfrontiert,
die vielerorts von einem Adel getragen wurde, der noch an feudalistischen
Relikten festhielt. Die innenpolitische Krise wurde durch das Ausscheiden
bzw. den Tod der bedeutendsten Politiker und durch innere Zwistigkeiten verstärkt.
Die Deák-Partei zerfiel und fusionierte mit dem oppositionellen, ursprünglich
den Ausgleich ablehnenden Linkszentrum um Kálmán
Tisza zur Liberalen Partei. Der neuen Regierungspartei gelang es, für
rund drei Jahrzehnte das politische Leben in Ungarn entscheidend zu dominieren.
Mit ihrer Grundsatzposition, an dem staatsrechtlichen System keinerlei Änderungen vorzunehmen, gelang ihr die Festigung der anfangs noch relativ labilen dualistischen Ordnung. Sie verfügte über eine große Basis in all denjenigen Schichten, die das Ziel verfolgten, durchgreifende demokratische und soziale Reformen zu vermeiden. Diese im Grunde konservative Politik fand ihre Verkörperung in der Person des Ministerpräsidenten Graf Kálmán Tisza (s. Bild), der dieses Amt von 1875 bis 1890 ausübte. Bei der Festigung des politischen Systems stützte sich Tisza auf ein Parlament, auf einen Verwaltungsapparat und auf eine bewaffnete Gewalt, die er sich alle gefügig gemacht hatte. Den uneingeschränkten Rückhalt im Parlament hatte sich Tisza durch die Gestaltung des Wahlrechts verschafft. Ein Zensuswahlrecht, bei dem nur etwa 6% der Bevölkerung wahlberechtigt waren, die Einteilung der Wahlkreise, die Festlegung der notwendigen Anzahl von Stimmberechtigten pro Abgeordneten, Korruption, Drohungen und Fälschungen von Wahlergebnissen sorgten für ein ihm ergebenes Parlament. Den Verwaltungsapparat bekam Tisza in seine Hände, indem er ihn mit seinen Anhängern durchsetzte.