Insbesondere versorgte er die Angehörigen der Gentry
(s. Bild), den für
Ungarn so typischen Teil des verarmten, in bürgerliche Professionen strömenden
Adels, mit Verwaltungsposten. Träger der bewaffneten Gewalt, auf die
sich Tisza stützte,
war die 1881 neu geschaffene Gendarmerie (s.
Bild), die umfangreiche Vollmachten erhielt und auch die Funktion einer
politischen Polizei ausübte. Unter dem Deckmantel eines verfassungsmäßigen
Rechtsstaates betrieb Kálmán Tisza eine zutiefst antidemokratische,
jede Reform des Wahlrechts ablehnende und insbesondere gegen Arbeiterschaft
und Nationalitäten gerichtete Politik.
Vordergründig scheiterte Kálmán Tisza 1890 an der Ver-abschiedung
eines von den Oppositionsparteien heftig bekämpften Wehrgesetzes (s.
Bild). Der Rücktritt Tiszas (s.
Bild) führte zu einer jahrelang dauernden politischen Krise. Die
weiterhin regierende Liberale Partei versuchte, durch Aktivitäten auf
anderen politischen Feldern die Opposition zu spalten und von den eigentlichen
politischen Problemen abzulenken. Diesem Ziel dienten auch die 1896 veranstalteten
pompösen Feierlichkeiten zum Millennium (s.
Bild 1, Bild 2)
der ungarischen Landnahme. Die Feierlichkeiten (s.
Bild) gerieten zu einer grandiosen Popularisierung der ungarischen Staatsgewalt
(s. Bild) und zu einer
völlig übersteigerten Manifestation der historischen Größe
Ungarns (s. Bild) und
des magyarischen Nationalismus (s.
Bild).
Aber auch hierdurch ließ sich die tiefgreifende Krise
des durch den Dualismus in Ungarn geschaffenen Systems nicht verbergen.
Der Dualismus war zur Sicherung seiner Existenz von drei grundlegenden Bedingungen
ausgegangen: günstige Gestaltung der internationalen Lage, kein Auftreten
von Nationalbewegungen in der Monarchie, politisch-ökonomische Interessengemeinschaft
der herrschenden Klassen in Österreich und in Ungarn. Die kapitalistische
Entwicklung hatte aber inzwischen das Gleichgewicht der Kräfteverhältnisse
und damit das der drei Grundbedingungen zusehends verschoben. Die internationale
Lage hatte sich aus österreichisch-ungarischer Sicht deutlich verschlechtert.
Durch den Interessengegensatz auf dem Balkan kam es zu einem immer schärfer
werdenden Gegensatz zu Rußland. England und Frankreich, die 1867 noch
die Monarchie gegen Rußland unterstützt hatten, suchten nun ein
gegen Deutschland und dessen Verbündeten, die Monarchie, gerichtetes
Bündnis mit Rußland; zudem waren die nationalen Einheitsbestrebungen
der Balkanstaaten erstarkt, und auch die italienischen Ansprüche auf
Gebiete der Monarchie wurden erneuert.