Zu Beginn der 1840er Jahre trat die Reformbewegung in eine
neue Phase. Die wirtschaftliche Entwicklung mit den stärker werdenden
kapitalistischen Elementen, die Herausbildung der Nation, die Übernahme
der Ideen des westeuropäischen Liberalismus und die damit gekoppelten
Forderungen nach bürgerlicher Umgestaltung und nationaler Selbstbestimmung
ließen die Oppositionsbewegung in Ungarn erstarken. Die Forderung nach
nationaler Selbstbestimmung bein-haltete zweierlei: den Anspruch auf volle
Selbstbe-stimmung gegenüber Wien und die Realisierung einer eigenen Gesetzgebung
durch eine eigene Volks-vertretung und eine verantwortliche ungarische Regierung.
Im Anspruch auf Selbstbestimmung war aber nicht enthalten die Loslösung
vom Habsburgerreich.
Allerdings stellte sich auf dem Landtag 1843/44 heraus, daß die Basis
der Oppositionsbewegung nicht so stark war, wie sie gehofft hatte. Vor allem
die große Zahl der verarmten Adeligen in den Komitaten
widersetzte sich den Reformforderungen und beharrte auf ihrem Privileg der
Steuerfreiheit. Auch auf dem Landtag selbst gelangen der Opposition in den
Fragen der bürgerlichen Reformen und der nationalen Selbstbestimmung
nur Teilerfolge.
Als bedeutsamste Entscheidung des Landtages kann die Verabschiedung des Sprachgesetzes gelten. Hierdurch wurde Ungarisch auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens zur Amtssprache erhoben. Die Sprache wurde dadurch zum stärksten Bindeglied des in Entstehung begriffenen bürgerlichen Nationalstaates. Mit der Ausdehnung der ungarischen Sprache auch auf die von den nationalen Minderheiten bewohnten Landesteile führte das Gesetz zugleich zu einer Verschärfung der nationalen Gegensätze. Denn in dem Vielvölkerstaat Ungarn bildeten die Magyaren zwar die größte Nationalität, befanden sich aber mit einem Anteil von 36,9 % gegenüber den anderen Nationalitäten in der Minderheit. Und inzwischen hatte - wenn auch gegenüber den Magyaren mit einer gewissen Verspätung - auch bei den anderen Nationalitäten der Prozeß der Nationalbewegung und der bürgerlichen Entwicklung begonnen. Dieser Prozeß hatte bei den Nationalitäten um die Jahrhundertwende zunächst noch als sprachliche und kulturelle Bewegung seinen Anfang genommen.