Die Entladung der revolutionären Spannungen in der französischen
Februarrevolution führte auch in Ungarn zu hektischen Aktivitäten,
die Situation zur Durchsetzung von Reformen auszunützen. Auf Betreiben
Kossuths verabschiedete
die in Preßburg tagende Untere Tafel des Landtags am 3. März 1848
einen Adreßentwurf, in dem um die Schaffung eines verantwortlichen ungarischen
Ministeriums und um Bestätigung der vom Landtag bereits verabschiedeten
bürgerlichen Reformen gebeten wurde. Auf Drängen des Wiener Hofes
weigerte sich aber die Magnatentafel des Landtages, die Adresse an den König
weiterzuleiten. Denn der König plante vielmehr, den Landtag aufzulösen.
In dieser spannungsgeladenen Situation brach am 13. März 1848 die Revolution
in Wien (s. Bild) aus.
Der Kaiser versprach eine Konstitution, sein Kanzler Metternich
ergriff die Flucht. Der ungarische Landtag ergänzte seine Adresse vom
3. März um die Pro-klamierung der allgemeinen Steuerpflicht und um die
Erbablösung auf Kosten des Staates und entsandte am Morgen des 15. März
eine Deputation nach Wien. Am 15. März griff die Revolution auf Pest,
dem geistig-kulturellen Zentrum Ungarns (s.
Bild 1, Bild 2),
über. An diesem Tag wurden die von jungen revolutionären Intellektuellen
verfaßten Zwölf Punkte (s.
Bild) proklamiert (s.
Bild), die auf breiteste Zustimmung (s.
Bild 1, Bild 2)
im ganzen Land stießen.
In diesen Zwölf Punkten (s. Heckenast,
Landerer) wurden in bis
dahin unbekannter Radikalität und über die bisherigen Zielsetzungen
der adligen Reformpolitik hinausgehend die Abschaffung der Leibeigenschaft,
die Gleichheit vor dem Gesetz, die allgemeine Steuerpflicht, die jährliche
Abhaltung eines auf der Grundlage eines beschränkten Wahlrechts gewählten
Landtags in Pest, die Errichtung eines verantwortlichen Ministeriums, Pressefreiheit,
die Freilassung der politischen Gefangenen, die Einführung des Geschworenengerichts,
die Aufstellung einer Nationalgarde, die Gründung einer Nationalbank
(s. Bild), die Vereidigung
des Militärs auf die Verfassung sowie die Union mit Siebenbürgen
gefordert. Die Stimmungslage der Revolution wurde vom Dichter Sándor
Petőfi (s. Bild),
dem geistigen Führer der Intellektuellen, in nahezu unübertrefflicher
Weise in seinem Gedicht Nemzeti dal 'Nationallied' (s.
Bild) wiedergegeben. Unter dem Eindruck der mobilisierten Massen (s.
Bild 1, Bild 2)
akzeptierte der Statthalterrat die revolutionären Forderungen.
Die vom Landtag in Preßburg an den Herrscher König Ferdinand
V. entsandte Delegation konnte die Gunst der Stunde nutzen und am 17.
März die Ernennung von Graf Lajos
Batthyány (s.
Bild) zum ersten verant-wortlichen Ministerpräsidenten Ungarns durchsetzen.