Die beiden führenden politischen Persönlichkeiten
der Reformperiode in Ungarn waren Graf István
Széchenyi (s.
Bild) und Lajos Kossuth
(s. Bild). Széchenyi
entstammte einer reichen, den Habsburgern treu ergebenen Magnatenfamilie.
Sein Vater Graf Ferenc Széchényi
(s. Bild) hatte 1802
das Nationalmuseum (s. Bild)
gegründet. Seine Jugend (s.
Bild) und seine berufliche Laufbahn verliefen nach dem damals in Magnatenfamilien
üblichen Muster. Er unternahm zahlreiche Auslandsreisen, vor allem nach
England, auf denen ihm die wahren Gründe der ökonomischen, technischen
und sozialen Rückständigkeit Ungarns bewußt wurden. 1825 stiftete
er ein Jahreseinkommen seiner Güter zur Gründung einer Akademie
der Wissenschaften (s. Bild
1, Bild 2), die
seiner Auffassung nach mit dem Auftrag, eine einheitliche Sprache zu fördern
und die nationale Kultur herauszubilden, von entscheidender Bedeutung für
die nationale Frage war. 1830 erschien sein Buch Hitel 'Kredit' (s.
Bild), in dem er die Krisenerscheinungen Ungarns analysierte und deren
Gründe, wie veraltete Wirtschaftsweise, Fronarbeit, Unteilbarkeit des
Grundbesitzes und Zunftsystem, benannte. Das wichtigste Hindernis sah er im
Fehlen des Kredits, deshalb forderte er die Abschaffung der Avitizität
und ein Kreditgesetz, auf dessen Grundlage ein Gläubiger auch das Recht
hätte, die Grundstücke eines Schuldners zu versteigern.
Das Buch erzielte eine riesige Wirkung. In großen Teilen des Adels rief es eine scharfe Ablehnung hervor. Diese sahen die Gründe für die Rückständigkeit Ungarns allein in der Zollpolitik Wiens und in der mangelnden Selbständigkeit Ungarns. Sie verurteilten Széchenyis Verhalten als verfassungswidrig und nationsschändend. In Kreisen einer Adelsminderheit und der Intelligenz dagegen stieß die Analyse Széchenyis auf begeisterte Zustimmung. In weiteren Werken, wie Világ 'Licht' (s. Bild) und Stádium 'Stadium', legte er seine Ansichten noch deutlicher dar. Seiner Meinung nach lagen in den Vorrechten des Adels und im Leibeigenensystem die stärksten Hindernisse für den Fortschritt. Letzteres, 1831 geschriebenes Buch durfte in Ungarn nicht erscheinen; es wurde im Ausland gedruckt und erst 1833 nach Ungarn geschmuggelt. Széchenyi propagierte als erster die Beseitigung der Trennung zwischen dem privilegierten Adel und dem gemeinen Volk zur Schaffung einer einheitlichen Nation. Széchenyis Programm wurde bis in die 1840er Jahre hinein für das ganze Land zum einzigen Modell der Reform.