Der Ausgleich 1867 beruhte auf der Pragmatischen
Sanktion (s. Bild)
von 1722 als Grundvertrag. Hieraus wurde der einheitliche und untrennbare
Besitz mit gemeinsamer Sicherheit und Verteidigung sowie die Anerkennung der
konstitutionellen, staatsrechtlichen und administrativen Unabhängigkeit
Ungarns abgeleitet.
Der Ausgleich wurde nicht durch einen formellen Vertrag zwischen den beiden
Reichsteilen geschaffen. Vielmehr wurden in beiden Reichsteilen textlich voneinander
abweichende Verfassungsgesetze verabschiedet, die durch das Zusammenwirken
zwischen Herrscher und ungarischem Landtag auf der einen Seite und zwischen
Herrscher und Reichsrat auf der anderen Seite zustande gekommen waren.
In den unterschiedlichen Formulierungen der Ausgleichs-gesetze spiegelte sich
bereits die abweichende prinzipielle Einschätzung der dualistischen Beziehung
wider. Nach dem österreichischen Gesetzestext können die gemeinsamen
Angelegenheiten so interpretiert werden, als modifizierten sie lediglich die
zentralistische Verfassung von 1861. Die Österreicher verstanden deshalb
den Dualismus wegen der gemeinsamen Ange-legenheiten als eine Einheit, die
die Rechtskontinuität des alten Gesamtstaates gewährleistete und
somit über die Personal- und Realunion hinaus einen Bundesstaat bildete.
Aus dem ungarischen Gesetzestext folgt dagegen, daß
zwei selbständige Staaten ihr Verhältnis ordnen und das Ausmaß
der Gemeinsamkeit feststellen. Nach ungarischer Auffassung wurden also die
gemeinsamen Angelegenheiten als gemeinsame Institutionen zweier souveräner
verbündeter Staaten verstanden, der Dualismus wurde also eher als eine
reine Personalunion und als ein Staatenbund charakterisiert.
Trotz der grundsätzlichen Interpretationsunterschiede waren die Gegenstände
der gemeinsamen Angelegenheiten im wesentlichen gleichartig geregelt, so daß
sie als rechtliche Grundlage geeignet waren, das dualistische System ein halbes
Jahrhundert funktionsfähig zu halten. In dem ungarischen Ausgleichs-gesetz
wurden vier Gegenstandsbereiche geregelt: die Frage des Etats für die
Hofhaltung des Herrschers, die eigentliche Festlegung der gemeinsamen Angelegen-heiten,
das Ausmaß der Gemeinschaft hinsichtlich des Kreditwesens und der bisherigen
Staatsschulden, sowie das Zoll- und Handelsbündnis. In der Frage des
Herrschers vertrat Ungarn die Auffassung, daß er als Kaiser von Österreich
und König von Ungarn zwar ein- und dieselbe Person sei, aber staatsrechtlich
doch zwei unterschiedliche Funktionen ausübe.