In Ungarn bildete sich in diesem Zeitabschnitt genau wie in
den anderen sozialistischen Ländern der Personenkult aus. Diese Erscheinung
war die Folge einer äußerst dogmatischen Auslegung des Marxismus,
die mit der Stalinschen These einer ständigen Verschärfung des nationalen
und internationalen Klassenkampfes theoretisch begründet wurde. Sämtliche
Macht im Staate und in der Partei vereinigte sich in der Hand eines Mannes,
in Ungarn in der Hand des Generalsekretärs der kommunistischen Partei
Mátyás Rákosi,
und einer kleinen, ihm ergebenen Clique, die zusammen die beiden Entscheidungsorgane
der Partei, das Zentralkomitee und das Politbüro, beherrschten. Ihren
Gipfelpunkt erreichte der Personenkult (s.
Bild 1, Bild 2) um
Rákosi bei den Feierlichkeiten zu seinem 60. Geburtstag (s.
Bild) im März 1952, bei denen der "beste ungarische Schüler
Stalins" (s. Bild)
nicht nur mit dem ungarischen Volk gleichgesetzt, sondern neben Árpád
und Kossuth zum neuen Vater
(s. Bild 1, Bild
2) des ungarischen Volkes hochstilisiert wurde.
Innenpolitisch führte der Personenkult (s.
Bild) um Rákosi zu einer Atmosphäre des Terrors. Das wichtigste
Unterdrückungsinstrument war die Staatsschutz-behörde (Gábor
Péter, s. Bild),
die einen Staat im Staate bildete. Massenhaft kam es zur Anklage und Verurteilung
von Unschuldigen;vermeintliche politische Gegner wurden mit fingierten Anklagen
(s. Video) in menschenverachtenden
Schau-prozessen aus dem Wege geräumt. Solchen Konzeptions- oder Schauprozessen
fielen Mitglieder der
Regierung und der kommunistischen Partei, und zwar insbesondere
solche Mitglieder, die die Zwischenkriegs-zeit und die Kriegsjahre nicht in
der sowjetischen, sondern in der westlichen Emigration oder im Unter-grund
in Ungarn verbracht hatten wie z.B. der Außenminister László
Rajk oder János Kádár,
ebenso zum Opfer wie Gegner des Systems, wie z. B. Kardinal
Mindszenty (s. Bild)
oder der evangelische Bischof Lajos Ordas. Viele Menschen fanden sich, ohne
daß eine Anklage erhoben und ein Gerichtsverfahren durchgeführt
worden wäre, in den rund 100 Lagern wieder, in denen sie, zusammen an
die 60.000 Menschen, unter schlimmsten Bedingungen zur Zwangsarbeit angetrieben
wurden. Viele Bürger wurden zwangsweise umgesiedelt. Insgesamt wurden
in diesen Jahren Verfahren gegen über 1,1 Millionen Personen eingeleitet,
von denen fast die Hälfte mit einer Verurteilung endete.
In Anbetracht dieser Machtfülle in der Hand eines Einzelnen waren auch
die in der kommunistischen Verfassung vorgesehenen Organe wie z.B. die National-versammlung
oder die Regierung praktisch ohne Machtbefugnisse. Die Tätigkeit des
Parlaments, das zwei bis drei Mal pro Jahr zu ein- bis zweitägigen Sitzungen
einberufen wurde, beschränkte sich weitgehend auf das Abnicken der zwischenzeitlich
vom Präsidialrat beschlossenen Verordnungen mit Gesetzeskraft.