Nach der Wiederbestattung
von László Rajk
am 6. Oktober beschleunigten sich die Ereignisse. Am 13. Oktober wurde Imre
Nagy rehabilitiert. Die Studenten der Szegeder Universität erklärten
am 16. Oktober ihren Austritt aus dem kommunistischen Jugendverband und die
Gründung eines unabhängigen Studentenver-bandes. Die Studenten der
anderen Universitäten folgten diesem Schritt und erhoben auch darüber
hinausgehende politische Forderungen. Am bekanntesten wurden die 10 bzw. 16
Punkte der Studenten der Budapester Technischen Universität, die am Abend
des 22. Oktober verbreitet wurden.
Die explosive Spannung entlud sich schließlich am 23. Oktober 1956.
Eine friedliche studentische Kundgebung (s.
Video) für die Reformbewegung in Polen und für eine Umgestaltung
des politischen Lebens in Ungarn, die insbesondere die Forderung nach Ernennung
von Imre Nagy zum Ministerpräsidenten umfaßte, wuchs schnell zu
einer Massenversammlung von mehreren hundert-tausend Menschen an. Sie begann
am Petöfi-Denkmal (s.
Bild), zog zum Denkmal (s.
Bild 1, Bild 2) des
polnischen Helden der 1848er Revolution, General
Bem (s. Bild 1, Bild
2, Video), und von dort
zum Parlament, wo Imre Nagy (s.
Bild) nach langem Zögern zu den Demonstranten sprach. Von dort bewegte
sich ein Teil des Demonstrationszuges (s.
Video) zum am Stadtwäldchen gelegenen Stalin-Denkmal (s.
Bild) und stürzte es, ein anderer Teil zog zum Gebäude des Ungarischen
Rund-funks und verlangte die Ausstrahlung der am Vortag be-
schlossenen studentischen Forderungen.
Die Verteidiger des Rundfunkgebäudes (s.
Bild) ver-weigerten dies und sendeten stattdessen die Rede (s.
Audio)des Ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei, Ernő
Gerő, der die Demonstranten als nationalistische und faschistische
Aufständische bezeichnete. Am späten Abend gingen sie schließlich
mit Waffengewalt gegen die Demonstranten vor. Hieraus entwickelte sich sofort
ein bewaffneter Aufstand (s.
Bild) , der von Studenten, Arbeitern und Intellektuellen getragen wurde;
Soldaten und Polizisten sympathisierten mit den Aufständischen und überließen
ihnen ihre Waffen. Sowjetische Truppen griffen am 24. Oktober auf Anforderung
der Partei-führung in die Kämpfe ein, um die sogenannte "Konterrevolution"
niederzuschlagen. Die Aufständischen besaßen zu diesem Zeitpunkt
noch keine einheitliche oder auch nur einigermaßen festumrissene Ideologie.
An den Kämpfen (s. Bild)
beteiligten sich Kommunisten und Antikommunisten gleichermaßen. Der
einzige ge-meinsame Nenner, der über die augenblicklichen Ziele des Kampfes
hinauswies, bestand in der Wieder-erlangung der nationalen Unabhängigkeit
und im Sturz der Diktatur (s.
Bild 1, Bild 2).
Die vor kurzem noch so allmächtige Partei stand den Ereignissen wie erstarrt
gegenüber. Imre Nagy wurde in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober wieder
in das Polit-Büro aufgenommen und von der Partei beauftragt, eine neue
Regierung zu bilden.