In der stalinistischen Periode war die Kulturpolitik (s.
Révai) durch Verstaatlichung und zugleich Ausbau des Bildungswesens,
durch den Ausschluß von der Bildung auf Grund sozialer Zugehörigkeit,
sowie durch Verstaat-lichung von Buchverlagen, Filmproduktion und -vertrieb
gekennzeichnet. Es wurde unter bewußter Inkaufnahme eines Rückganges
des kulturellen Spitzenniveaus die Basis für eine Art kultureller Bildung
für die breite Masse geschaffen. Zu dieser Basis gehörten Bibliotheken
(s. Bild), Bibliotheksbusse,
Kulturhäuser, Kinos, Theater-gruppen etc., die in großer Zahl errichtet
wurden. In den stalinistischen Säuberungsaktionen verloren viele bürgerliche
Intellektuelle ebenso wie auch zahlreiche Schriftsteller und Künstler
ihre berufliche Stellung oder gingen in die innere Emigration. Einige wurden
mit Publikationsverbot belegt, die Zensur war allgegen-wärtig. Die ausschließliche
Unterstützung des sozialistischen Realismus und die Forderung nach Parteilichkeit
hatten eine ideologische Überfrachtung und Engstirnigkeit im Kulturbetrieb
zur Folge.
Die große Rolle, die die Intellektuellen und Kulturschaffenden bei der
Revolution von 1956 spielten, führte nach der Niederschlagung zu Verhaftung,
Verurteilung und quasi-Verbannung zahlreicher Intellektueller. Die kulturelle
Szene zog sich in den
ersten Jahren des Kádár-Systems in eine innere
Emigration zurück und wirkte teilweise wie gelähmt. Erst um 1960,
als die Kulturpolitik wieder liberaler wurde und Kompromißangebote,
wie z.B. die Neugründung des Schriftstellerverbandes, das Erscheinen
neuer literarischer Zeitschriften und vor allem die Amnestie von inhaftierten
Literaten, zur Gewinnung der Schriftsteller unterbreitete, erholte sich das
kulturelle Leben langsam wieder. Das Kádár-System, das im Kulturbereich
vor allem durch die Tätigkeit und den nahezu allmächtigen Einfluß
von György Aczél
verkörpert wurde, akzeptierte unterschiedliche Anschauungen. Dadurch
konnte sich das geistige Leben in einem gewissen Umfang - aber doch wesentlich
stärker als in den anderen sozialistischen Staaten - befreien und entfalten.
Es entstand der Begriff der drei t: tiltott 'verboten', tűrt
'geduldet', támogatott 'unterstützt', die für die
drei Kategorien standen, in die die Kulturschaffenden und ihre Werke eingestuft
wurden. In diesem Rahmen entstanden zahlreiche neue Foren und Publikations-möglichkeiten
für Intellektuelle. Das institutionelle System der kulturellen Einrichtungen
wurde erheblich ausgebaut, besonders auch der ländlichen Bevölkerung
wurde eine Teilhabe an der Kultur erleichtert. (s.
Abbildung Ausbau des Kulturbereichs)