Für die Provisorische Nationalregierung erwies sich die
Durchführung der Bodenreform als eine der dringlichsten Aufgaben. Immer
noch lebte über die Hälfte der ungarischen Bevölkerung von
der Landwirtschaft. Die damalige Agrarverfassung kann als halbfeudalistisch
bezeichnet werden. Es dominierte eindeutig der Großgrundbesitz, daneben
gab es eine große Anzahl von Klein- und Kleinstbesitzern, die sich kaum
selbst versorgen konnten.
In Zahlen ausgedrückt: Allein etwa 1.100 Eigentümer, gleich 0,2%
aller Eigentümer, besaßen mit Betrieben von jeweils über 575
ha 29,9% der landwirtschaftlichen Fläche, bzw. 0,8% der Eigentümer,
gleich 12.000 Familien, besaßen 48,1% der landwirtschaftlichen Fläche.
Andererseits verfügten 72,5% der Eigentümer über einen Besitz
von weniger als 3 ha und damit lediglich über 10,1% der gesamten landwirtschaftlichen
Fläche. Der größte Grundbesitzer war die Katholische Kirche
mit über 600.000 ha. Die vom Landwirtschaftsminister, dem Kommunisten
Imre Nagy, erlassene Verordnung
vom 15. 3. 1945 schrieb vor, daß alle Besitztümer von Führern
der Pfeilkreuzlerpartei und anderer rechts-extremistischer Organisationen,
von Kriegsschuldigen sowie sämtlicher
Großgrundbesitz über 1.000 Katastraljoch (1 Katastraljoch
entspricht 0,575 ha) völlig, Besitze bis zu 1.000 Joch bis auf einen
Rest von 100 Joch enteignet werden sollten. Waldbesitz durfte 10 Joch, Wein-
und Obstgärten 20 Joch nicht überschreiten. Insgesamt wurden mit
5,6 Millionen Joch ca. 35% der gesamten Nutzfläche enteignet und zum
größten Teil an über 640.000 Personen (s.
Bild) verteilt, die im Durchschnitt je 5,1 Joch (s.
Bild) erhielten. Ein kleinerer Teil wurde in staatlichen oder kommunalen
Besitz überführt. Die Reform besaß das Ausmaß einer
Agrarrevolution. Die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auf dem Lande wurde
von Grund auf umgestaltet. In Ungarn dominierte jetzt der Klein- und Kleinstbesitz.
Ca. 68% der Eigentümer verfügten über einen Besitz von bis
zu 5 Joch, weitere ca. 19% über einen Besitz von 5-10 Joch. Beide Kategorien
zusammen machten einen Anteil von 39% an der landwirtschaftlichen Nutzfläche
aus. Die Flächen reichten in vielen Fällen nicht einmal aus, die
Eigentümer und ihre Familien zu ernähren. Die Klasse der Großgrundbesitzer
verlor die ökonomische Basis ihrer politischen Macht, viele von ihnen
waren jedoch schon vorher in den Westen geflüchtet. (s.
Abbildung Bodenreform)