Nach Stalins Tod am 5.3.1953 setzte in Moskau ein langer, bis
1957 andauernder Machtkampf um die Nachfolge ein. Vom Ausgang bzw. vom jeweiligen
Stand dieses Machtkampfes hing entscheidend auch die weitere Entwicklung in
Ungarn ab. Zunächst wurde im Zuge der Säuberungswelle unmittelbar
nach Stalins Tod auch die Machtfülle Rákosis
beschnitten. Er mußte sein Amt als Ministerpräsident an Imre
Nagy (s. Bild) abgeben,
blieb aber weiterhin Erster Sekretär der Partei. Zugleich begann im Juni
1953 die teilweise Korrektur der bisherigen Politik. Der Fünfjahresplan
wurde überprüft, die Investitionen in die Schwerindustrie wurden
zugunsten der Konsumgüterindustrie, der Land-wirtschaft und des Wohnungsbaus
deutlich verringert. (s. Abbildung
Investitionen) Die Bauern erhielten das Recht, aus den Genossenschaften
auszutreten. Verschiedene Maßnahmen wurden durchgeführt, um den
Lebensstandard der Bevölkerung beträchtlich zu erhöhen. Viele
Opfer des Personenkults wurden rehabilitiert, die meisten jedoch nur stillschweigend
ohne jede Entschädigung aus der Haft und den Arbeitslagern entlassen.
Da Rákosi Parteichef blieb, kam es innerhalb der Partei zu starken
Kämpfen zwischen der von Rákosi verkörperten Richtung des
sektiererischen Dogmatismus und der nach Reform strebenden Gruppe des Revisionismus
um Imre Nagy. Die grundlegenden
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen manifestierten sich in der Bewertung vor allem von drei Fragen: Die Überprüfung der Konzeptionsprozesse und der damit zusammenhängenden persönlichen Verantwortung Rákosis, das Ausmaß und das Tempo der Änderung der Wirtschaftspolitik, die Beurteilung der sogenannten Bündnispolitik der Partei mit den privaten Bauern und den städtischen Kleinunternehmern. Die Richtungskämpfe führten zu erheblichen Spannungen in der Partei und lösten in der Bevölkerung eine große Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung aus. Im April 1955 siegte in diesem Machtkampf die Gruppe um Rákosi. Imre Nagy mußte seine Ämter niederlegen und wurde später aus der Partei ausgeschlossen. Ministerpräsident wurde András Hegedüs (s. Bild) , eine Marionette in den Händen Rákosis. Rákosi kehrte politisch zu den alten, stalinistischen Mitteln zurück. Hiervon nahm er auch nach der Verurteilung des Personenkults auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956, die Chruschtschow in seiner berühmten Geheimrede über die stalinistischen Verbrechen vorgenommen hatte, nicht Abstand. Dadurch wurde die Auseinandersetzung zwischen den Reformkräften, die sich nunmehr in der Richtigkeit ihrer Reformpolitik der vergangenen Jahre bestätigt sah, und den Stalinisten sowohl innerhalb der Partei als auch in der Öffentlichkeit weiter verschärft und es kam wie in Polen zu schweren politischen Erschütterungen.