Die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder zeigt zahlreiche
Gemeinsamkeiten. Die elementare Infrastruktur, die für eine moderne Entwicklung
der Wirtschaft benötigt wurde, wie etwa Transport- und Kommunikationssysteme
und Finanzeinrichtungen, wurde geschaffen. Kapital, das zu Hause nicht vorhanden
war, begann in beide Länder zu fließen.
Die Industrialisierung verlief in beiden Ländern recht schnell, in Ungarn
vor allem auf dem Sektor des Maschinenbaus, in Finnland hauptsächlich
auf dem der holzverarbeitenden Industrie, was auch von der Wald besitzenden
Bauernschaft unterstützt wurde.
Die ungarische Landwirtschaft durchlief eine Entwicklung einer sehr weitreichenden
Modernisierung und Intensivierung; in Finnland sah sich die Landwirtschaft
einem drastischen strukturellen Wandel vom Getreideanbau zur Milchproduktion
gegenüber. Für Ungarn war der Hauptabsatzmarkt, speziell für
seine landwirtschaftlichen Produkte, die Monarchie. Finnland dagegen produzierte
für verschiedene Absatzmärkte; Rußland z.B. war der Hauptabnehmer
für Papierprodukte.
In den ersten Jahren nach dem Ausgleich (1867) versuchten
ungarische Liberale, ein demokratischeres System einzuführen, aber nach
1880 übernahm eine Führungsschicht von Konservativen die Regierungspartei
und widersetzte sich bis zum Ende des Ersten Weltkrieges jeder Reform des
Wahlrechts. Im Gegensatz dazu wurde in Finnland die demokratische Teilnahme
schrittweise erweitert, zuerst auf lokaler und Gemeindeebene, zuletzt auf
nationaler Ebene. Diese Entwicklung wurde von der russischen Herrschaft seit
Anfang der 1890er Jahre behindert. 1906 wurde das allgemeine Wahlrecht auch
für Frauen eingeführt, und der Landtag wurde in eine Nationalversammlung
(Eduskunta) umgewandelt.
In Ungarn bildeten die Magyaren weniger als 50 % der Bevölkerung. Trotzdem
wollten die herrschenden magyarischen Eliten, ausgehend von der Ideologie
des tausend Jahre alten ungarischen Staates, einen Nationalstaat schaffen.
Diesem Konzept folgend, unterdrückten sie nach einer kurzen Periode liberaler
Politik (Nationalitätengesetz von 1868) die anderen Nationalitäten.