In der Wirtschaftsentwicklung Ungarns lassen sich nach dem
Ausgleich drei deutlich voneinander unterscheid-bare Phasen feststellen. In
der ersten, von 1867 bis 1873 dauernden Phase kam es zu einem sehr schnellen
Aufschwung. Die Wirtschaftskrise von 1873 führte zu einem starken Einbruch,
dem dann ein nur sehr langsamer Anstieg der Wirtschaftsentwicklung folgte.
Zu einem erneuten Aufschwung kam es erst wieder ab 1895, allerdings mit einem
wesentlich geringeren Tempo als in der ersten Phase.
Zugleich fand eine Umgestaltung der Wirtschaftsstruktur statt. Ungarn entwickelte
sich von einem rückständigen Agrarland (s.
Bild) zu einem Agrar-Industrieland (s.
Bild, Karte). Allerdings
setzte die industrielle Revolution in Ungarn mit relativer Verspätung
erst in den 1880er Jahren ein. Sie erfolgte zudem ungleichmäßig,
da sich wegen der Konkurrenz im gemeinsamen Zollgebiet nicht alle Industriezweige
entwickeln konnten, so blieb z.B. die Textilindustrie (s.
Bild) relativ bedeutungslos. Als erster Industriezweig (s.
Karte) entwickelte sich die Lebensmittelindustrie (s.
Weiss, M.), deren wichtigster Zweig die Mühlenindustrie (s.
Bild) war, danach folgten die Baustoffindustrie, die eine wichtige Rolle
für den Ausbau der Infrastruktur spielte, und schließlich die Eisen-
und Stahlindustrie (s. Weiss,
M.; Ganz, Á.)
und der Maschinenbau (s.
Bild 1, Bild 2).
Standorte (s.
Karte) der Industrieentwicklung (s.
Karte) waren die überwiegend in der Peripherie liegenden Orte der
Rohstoffvorkommen und insbesondere Budapest, das 1873 aus der Vereinigung
der drei Städte Óbuda, Buda und Pest (s.
Bild 1, Bild 2,
Bild 3,
Karte) entstand und innerhalb weniger Jahre zum wichtigsten Industrie-zentrum
Ungarns (s. Bild 1,
Bild 2, Bild
3, Bild 4, Bild
5) wurde.
Mit der industriellen Entwicklung setzte auch ein lang-samer Wandel der Gesellschaftsstruktur
ein. Die durch die Modernisierung der Landwirtschaft (s.
Bild) frei-gesetzten Arbeitskräfte bzw. die auf Grund der Agrar-struktur
erwerbs- und besitzlosen Bauern (s.
Bild) wurden allerdings nur zum Teil von der Industrie aufgenommen (s.
Karte). Etwa 1,8 bis 2 Millionnen Menschen - überwiegend aus den
stärker landwirtschaftlich geprägten Nationalitätengebieten,
und hier vor allem Slowaken und Ruthenen - wanderten deshalb nach Übersee
(s. Bild, Karte)
aus. Es arbeiteten um die Jahrhundertwende zwar immer noch fast zwei Drittel
der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, aber der Anteil der Industrie
(s. Karte) mit ca. 25% und
der Dienst-leistungen (s.
Bild) mit ca. 10% war bereits beträchtlich.