Das Grundprinzip und der Erfolg von Kekkonens
Außenpolitik wurden bereits 1958 auf die Probe gestellt, als die Beziehungen
zwischen Finnland und der Sowjetunion in die als Nachtfrostperiode
bekannte Krise trieben. Ursache hierfür war die Wahl von Väinö
Tanner, der früher als Kriegsschuldiger verurteilt worden war, zum
Vorsitzenden der SDP 1957 sowie die Beteiligung der Sozialdemokraten an der
Regierung im darauf folgenden Jahr. Die Sowjetunion äußerte ihr
Mißfallen an der Zusammensetzung der Regierung, indem sie die Handelsbeziehungen
einfror und ihren Botschafter aus Helsinki abzog. Der Druck führte zum
Zusammenbruch der Regierung. Die Krise ebbte erst ab, als Kekkonen in Leningrad
mit Nikita Chruschtschow, dem neuen sowjetischen Machthaber, zusammentraf.
Dieser gestand den Finnen das Recht zu, die Zusammensetzung ihrer Regierung
selbst zu bestimmen, betonte aber zugleich das Recht der Sowjetunion, hieraus
ihre Konsequenzen zu ziehen.
Nach der Nachtfrostperiode erwärmten sich die Beziehungen der Länder
schnell. Deshalb war es eine Überraschung, als die Sowjetunion Finnland
im Oktober 1961 eine Note (s.
Notenkrise) überreichte. In der Note wurden gemäß dem
Vertrag über Freundschaft, Zusam-menarbeit und gegenseitigen Beistand
militärische Beratungen auf Grund der von Westdeutschland und dessen
verbündeten Staaten ausgehenden Bedrohung vorgeschlagen. Die Gründe
für die Note sind auch heute noch unklar.
Die im Sommer zugespitzte Berlinkrise war schon deutlich abgeschwächt,
kam also als Grund für eine Verschärfung des Kalten Krieges nicht
in Frage. Stattdessen könnte die in Finnland bevorstehende Präsidentschaftswahl
als Hintergrund für die Note gedient haben. Denn in der Note wurde auf
einige finnische Zeitungen verwiesen, die im Gegensatz zu der von Finnland
eingeschlagenen offiziellen außen-politischen Richtung zur Verbreitung
einer Kriegspsychose beitrugen. Dies bezog sich auf Olavi
Honka, der als Gegenkandidat zu Kekkonen aufgestellt worden war und das
sogenannte Honka-Bündnis.
Die Sowjetunion wollte Kekkonen als finnischen Präsidenten behalten,
weil dies sicherstellte, daß die außenpolitische Linie fortgesetzt
würde. Kekkonen löste das Parlament auf und setzte Neuwahlen an.
Damit war die Sowjetunion jedoch noch nicht zufrieden, und Kekkonen mußte
nach Novosibirsk zu einem Treffen mit Chruschtschow reisen. In den Beratungen
gestand Chruschtschow ein, daß die von der Sowjetunion geforderten Beratungen
die Spannungen in den nordischen Ländern verschärfen würden
und verzichtete auf seine Forderung.