Ebenso wie Ungarn mußte auch Finnland nach dem verlorenen
Krieg innere Probleme lösen und eine neue Außenpolitik umreißen.
In Finnland wurde J. K. Paasikivi
(s. Bild) zum Hauptarchitekten
der neuen Linie.
Die ersten freien Wahlen aller am Krieg beteiligten Länder wurden in
Finnland, im März 1945, durchgeführt. Die neue Politik verlangte
nach neuen Gesichtern. In einer kurz vor den Wahlen gehaltenen Rede (s.
Kurztext, Audio) forderte Paasikivi
diejenigen Politiker, die eine antisowjetische Linie vertraten, auf, sich
zurückzu-ziehen. Der Druck zeigte Resultate: Einige wichtige Politiker
- vier von den Sozialdemokraten, vier von der Agrarunion und drei von der
Nationalen Sammlung traten nicht als Kandidaten zu den Wahlen an. Die Forderung
Paasikivis verstieß zwar gegen die parlamentarischen Spielregeln, aber
die politischen Notwendigkeiten hielten sich nicht an Gesetze.
Die Grundlage der als Paasikivi-Linie benannten Außen-politik bildeten
die Nachbarschaft (s. Bild)
zwischen dem kleinen Finnland und der großen Sowjetunion sowie das Faktum
der langen Landesgrenze zwischen beiden Ländern. Laut Paasikivi bedrohte
die Sowjetunion nicht Finnlands Eigenständigkeit, sondern ihr alleiniges
Ziel war es, ihre Nordgrenze und Leningrads Sicherheit zu stärken. Die
Finnen mußten dafür sorgen, daß die Sowjetunion Finnland,
seinen Führern und seinem Volk vertrauen konnte.
Im März 1946 endete die Präsidentschaft von Manner-heim,
und die Volksvertretung wählte Paasikivi zum neuen Staatsoberhaupt. Im
Jahre 1950 wurde Paasikivi in richtigen Präsidentschaftswahlen erneut
gewählt. Als Präsident setzte Paasikivi die Politik der Freundschaft
(s. Bild) und Nachbarschaft
fort und betonte in seinen Reden regelmäßig die Bedeutung der freundschaftlichen
und vertrauensvollen Beziehungen zur Sowjetunion als Grundvoraussetzung für
das staatliche Dasein Finnlands.
Als sich 1947 der Kalte Krieg zwischen Ost und West zu verschärfen begann,
wurden die Beziehungen Finnlands zur Sowjetunion auf die Probe gestellt. Die
Sowjetunion mißbilligte die von den USA für alle Länder Europas
angebotene wirtschaftliche Marschall-Hilfe und unter-sagte den osteuropäischen
Ländern und Finnland diese anzunehmen. Aufgrund der Haltung der Sowjetunion
verzichtete Finnland auf die Hilfe, obgleich sie wirtschaft-lich notwendig
gewesen wäre. Allerdings ließ man die Westmächte wissen, daß
Finnland an einer freien wirtschaftlichen Zusammenarbeit interessiert sei.
Dieses Verhalten stärkte das Vertrauen der Sowjetunion in die finnische
Außenpolitik. Die Sowjetunion begann an Finnland diejenigen Rohstoffe
zu verkaufen, die für die Reparationszahlungen benötigt wurden.