In den 60er Jahren verbreiteten sich in Finnland die Prinzipien
einer engagierten Kultur. Ausländischen Vorbildern folgend waren die
Kulturschaffenden bemüht, die Bedeutung der Künste in dem Maße
hervozuheben, daß diese die Gesellschaft beeinflussen und Mißstände
offenbaren. Die alte nationale Kultur mit ihren geschichtlichen Traditionen
und Kriegserfahrungen sollte vergessen werden.
Neue Themen waren die spezifischen gesellschaftlichen Probleme der starken
Jahrgänge, die durch den Kalten Krieg hervorgerufenen Schreckensbilder
von einem Atomkrieg und die rückständige Situation in der Dritten
Welt. Die ganze Welt wurde als eine einzige zusammengehörende Gemeinschaft
angesehen, die von der gemeinsamen sozialen Verantwortung für die Lösung
der Probleme geprägt wurde.
Den traditionellen Maßnahmen und Lösungen wurde nicht mehr vertraut;
die Reformbewegung agierte kooperativ und größtenteils im Sinne
des Sozialismus. Als Mittel für eine Rettung der Menschheit galten die
Internationalisierung und der Glaube an die Kraft der Friedensidee.
Man definierte den Kulturbegriff neu. Die traditionelle Hochkultur wurde durch
vielfältige Bewegungen ersetzt, in denen die politische Partizipation
und die Unterhaltung betont wurden mit dem Ziel, die Massen anzuziehen und
zu beteiligen.
Der Literat Hannu Salama zog für seinen Roman "Mittsommertänze"
eine Klage wegen Gotteslästerung auf sich. Pentti Saarikoski griff seinerseits
in dem Werk Ääneen "Laut sagen" (1966) die Machthaber
hart wegen ihrer Gleichgültigkeit den Menschen und der Umwelt gegenüber
an. Ebenso ging man auch in den bildenden Künsten bis zum Äußeren,
beispielsweise wurde die Polizei mit Schmähungen überzogen.
Die engagierte Kultur (s. Niskanen)
konnte sich ver-breiten, weil die Kultur allgemein vom Staat und den Gemeinden
gefördert wurde. Als man in Finnland das mehrzügige Schulsystem
aufgab und stattdessen Gesamtschulen ins Leben rief und man außerdem
überall im Land Hochschulen gründete, wurde es den Menschen überall,
auch in der Provinz, ermöglicht, an kulturellen Aktivitäten teilzunehmen.
Die engagierte Kultur neigte sich Anfang der 70er Jahre ihrem Ende zu, als
nämlich ihre Träger - die großen Jahrgänge - vom Studentenleben
ins Arbeitsleben wechselten und sich auf diese Weise in die Gesellschaft integrierten.