Eine kleinere Gruppe hatte die Notwendigkeit der kapitalistischen Wirtschaftsweise erkannt und war deshalb bereit, im Sinne einer grundlegenden Reform auf Grundinstitutionen des Feudalismus zu verzichten. Zugleich forderte sie eine Lockerung der staats-rechtlichen Beziehungen zu Österreich. Es war diese Gruppe, die an Stelle des in Ungarn weitgehend fehlenden Bürgertums für die bürgerliche Umgestaltung eintrat und damit die Reformperiode prägte. Auf ihrer Seite standen die meist aus dem verarmten Adel stammenden Intellektuellen, die sich zu den radikalsten Trägern der Reformbewegung entwickelten. Der Kleinadel, dessen Lebensumstände kaum von denen des Bauerntums abwichen, achtete natürlich auf die Beibehaltung seiner Adelsprivilegien, im übrigen waren seine Stimmen in den Komitaten meistens käuflich. Im
Bauerntum setzte ebenfalls eine gewisse Differen-zierung ein. Während es einige Bauern vor allem in den Gebieten ohne starke Abhängigkeiten von Grundherren zu gewissem Wohlstand brachten, verschlechterte sich auf Grund der starken Lasten die Situation der meisten Bauern gravierend. Für die gesellschaftliche Struktur Ungarns war vor allem das Fehlen eines städtischen Bürgertums (s. Bild), das eine bürgerliche Umgestaltung hätte vorantreiben können, charakteristisch. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, war es zahlenmäßig zu gering und wirtschaftlich zu schwach, zudem war es in mancher Hinsicht stärker an der Beibehaltung des feudalistischen Zunftsystems denn an Reformen interessiert. Von einer Industriearbeiterschaft in einer nennenswerten Größenordnung kann zu diesem Zeit-punkt noch nicht gesprochen werden.