Andererseits unterblieben Infolge Geldmangels dringend notwendige
Investitionsmaßnahmen, so z.B. bei der Modernisierung des Kohlebergbaus,
der Metallurgie, des Fernmeldewesens, der Infrastruktur allgemein und der
Nahrungswirtschaft. Den Problemen wurde zwar in einem gewissen Maß Rechnung
getragen, z.B. durch weitere Preisreformen, Erweiterung der Unter-nehmensautonomie,
Änderung des Steuersystems und Dezentralisierung des Bankensystems. Dennoch
wurde aber die Forderung nach einer grundlegend neuen, umfassenden Wirtschaftskonzeption
zu diesem Zeitpunkt, in den Jahren 1986 bis 1988, immer lauter. Sie stieß
allerdings auf den hartnäckigen Widerstand der alten politischen Führungsschicht.
Erst nach deren Entfernung aus der Machtzentrale im Mai 1988 konnten der neue
Parteichef Károly Grósz
(s. Bild) und Regierungschef
Miklós Németh
unter den Schlagworten Dezentralisierung, Deregulierung und Liberalisierung
eine andere Wirtschaftspolitik verfolgen. Die von ihnen mit dem Ziel der Schaffung
einer sozialistischen Marktwirtschaft eingeleiteten Maßnahmen, wie der
Erlaß
eines neuen Wirtschaftsgesetzes, das die Gründung von
Aktiengesellschaften und GmbHs ermöglichte, Zulassung von privaten Beschäftigten,
Erleichterung von Joint ventures und Liberalisierung des Außenhandels,
nahmen bereits viele Elemente einer kapitalistischen Markt-wirtschaft auf.
Ihre Maßnahmen wurden allerdings sehr schnell von den politischen Ereignissen
überholt.
Der erhebliche Wandel der Wirtschaftsstruktur, den Ungarn nach dem Zweiten
Weltkrieg erfahren hat, wird aus der folgenden Tabelle deutlich. Die statistischen
Daten zeigen die Entwicklung auf, wie Ungarn aus einem Agrarland mit Industrie
zu einem Industriestaat mit entwickelter Landwirtschaft wurde. Der Anteil
der Landwirtschaft ging von über 50% auf unter 20% Ende der achtziger
Jahre zurück und beträgt derzeit nur noch 6,5%. Dagegen stieg gleichzeitig
der Anteil der Industrie zusammen mit der Bauindustrie von rund 21% auf 42%,
ist aber seit 1980 wieder rückläufig. Erheblich ausgeweitet hat
sich der Anteil des Tertiären Sektors, von etwa 25% auf rund 40% (1980)
und derzeit fast 60%.
(s. Abbildung - Erwerbsstruktur)
(s. Abbildung - Auslandsverschuldung)
(s. Abbildung - Anzahl der Betriebsformen)