Die Reform führte zunächst zu einer positiven wirtschaftlichen
Entwicklung (s. Bild)
in Ungarn; man bezeichnet die Jahre 1968 bis 1972 auch als das goldene Zeitalter
der ungarischen Wirtschaft. Allerdings wurden auf Drängen dogmatischer
Marxisten - gerade auch aus den Gewerkschaften - zahlreiche Bremsklötze
in die Wirtschaftsreform eingebaut. Die tschechoslowakische Krise, das tiefe
sowjetische Mißtrauen gegenüber der Reform, die gesellschaftlichen
Spannungen infolge des schnellen Auseinanderklaffens des Lebensstandards zwischen
den Nutznießern der Reform, dem Führungspersonal der Unternehmen,
und denjenigen, die keine oder nur geringe Vorteile davon hatten, den Arbeitern,
sowie die Nichtlösung wirtschaftlicher Strukturprobleme führten
zur schwersten Krise der ungarischen Führung seit 1956 und endeten 1972
mit einem innenpolitischen Kurswechsel. Die meisten Reformpolitiker wurden
aus dem Machtzentrum entfernt, die meisten Reformmaßnahmen rückgängig
gemacht. Was blieb, war die Möglichkeit, neben der offiziellen Tätigkeit
weitere Arbeiten im Rahmen der sogenannten Zweiten Wirtschaft zu verrichten
und dadurch eine deutliche Steigerung des individuellen Einkommens zu erzielen.
Die weitere Wirtschafts-entwicklung wird durch eine Verringerung der wirtschaftlichen
Effizienz bei gleichzeitiger Zunahme der Konzentration der Unternehmen gekennzeichnet.
Der Ölpreisschock von 1973 machte sich mit einer gewissen
zeitlichen Verzögerung in dem besonders erdölimportabhängigen
Ungarn - 80% des Erdöls wurden importiert - äußerst negativ
bemerkbar und zwang das Land zu einer Umstellung seiner Energiepolitik. Spezialisierungs-
und Kooperations-abkommen des RGW führten zu einer Industriestruktur
in Ungarn, die in bestimmten Branchen (Aluminium, Petrochemie, Maschinenbau,
s. Bild) den Charakter
von "Monokulturen" aufwies und sich den Weltmarkt-erfordernissen
nicht mehr anpassen konnte. Auch am Ende der 1970er Jahre war die ungarische
Wirtschaft noch durch ein extensives Wachstum gekennzeichnet, begleitet von
hohen Subventionen, großen Außenhandelsdefiziten (s.
Bild) und immensen Auslands-krediten. Die westlichen Auslandskredite wurden
zu einem großen Teil dazu verwendet, den vergleichsweise hohen Lebensstandard
des sogenannten Gulasch-kommunismus zu finanzieren.
Anfang der 1980er Jahre wurde deutlich, daß auf Grund verschiedener
außenwirtschaftlicher Faktoren, wie z.B. des zweiten Ölpreisschocks
1979/80 und der hohen Auslandsverschuldung, sowie Mängel des eigenen
Wirtschaftssystems ein weiteres extensives Wachstum der ungarischen Wirtschaft
nicht mehr möglich war. Es mußte nach einer neuen strukturpolitischen
Konzeption gesucht werden.