Die von Lenin angeführte Oktoberrevolution stürzte
die Regierung Kerenski, deren größter Fehler es gewesen war, den
Krieg gegen Deutschland unter furchtbaren Verlusten fortzusetzen. Lenin bildete
eine neue Regierung, den Rat der Volkskommissare; die Sowjetunion wurde geboren.
Die Revolution der Bolschewisten stellte das Verhältnis Finnlands zu
Rußland auf den Kopf. Nun waren die Sozialisten bereit, mit ihren russischen
Genossen über die Beziehungen Finnlands und Rußlands zu beraten.
Dafür wollte jetzt aber das Bürgertum nichts mehr mit den Bolschewisten
zu tun haben. Nun vertraten sie die Selbständigkeitslinie. Das Bürgertum
fürchtete, daß die revolutionären Unruhen sich auch auf Finnland
ausdehnen könnten; eine Furcht, die durch den gesteigerten Aktivismus
der Arbeiterbewegung seit März genährt wurde. Anfang November veröffentlichten
die Sozialisten das Programm "Wir fordern", welches viele zentrale
sozialistische Forderungen beinhaltete. Es wurde versucht, eine parlamentarische
Beratung zu erreichen, aber unter Bezugnahme auf Formalia nahm der Vorsitzende
die Angelegenheit nicht als Beratungsgegenstand auf. Anfang November drohte
die Vertreterversammlung des finnischen Gewerkschaftsverbandes mit einem Generalstreik,
falls nicht damit begonnen würde, das Programm zu verwirklichen.
Der Streik begann am 14.11.1917. Zusätzlich zu den innenpolitischen
Zielen diente er dem Zweck, die Forderung der Bolschewisten zu erfüllen,
die Verkehrswege nach St. Petersburg zu unterbrechen. Auf diese Weise sollte
verhindert werden, daß Kerenski loyal ergebene Truppen von Finnland
nach Rußland gelangten.
In dieser Situation beschloß das Parlament am 15.11. ein neues Machtgesetz,
demzufolge alle Macht in Finnland, ohne irgendwelche Beschränkungen,
dem Parlament gehört. Dieser Beschluß entriß Finnland der
russischen Kontrolle. Auf Grund der selbst zugeteilten Macht ernannte das
Parlament Svinhufvud zum
Vorsitzenden des Senats, zu dessen wichtigster Aufgabe die Sicherung der staatlichen
Selbständigkeit Finnlands wurde. Dieser sogenannte "Selbständigkeitssenat"
(s. Bild) überreichte
am 4.12. dem Parlament einen Verfassungsentwurf für das Land, wonach
Finnland eine unabhängige Republik sein sollte. Bezüglich der Selbständigkeit
wurde kein Antrag gestellt, über den diskutiert wurde, vielmehr verlas
man eine an das Volk gerichtete Selbständigkeitserklärung, in der
konstatiert wurde, daß das finnische Volk sein Schicksal in die eigenen
Hände genommen habe, nachdem das Parlament sich zum Inhaber der höchsten
Macht in Finnland am 15.11. erklärt hatte.