Nachdem der Zar gestürzt worden war, stellte sich die
Frage, wer in Finnland das Hoheitsrecht des Zaren ausüben darf. Nach
Auffassung der Provisorischen Regierung stand die Macht des Zaren ihr zu,
bis die später einzuberufende Volksversammlung ein neues Grundgesetz
für Rußland verabschiedet hätte.
Ziel der Finnen war es, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit,
sich vollständig von Rußland zu lösen. Meinungsverschiedenheiten
gab es zunächst über den Zeitpunkt und die Art der Loslösung:
Die Sozialisten und die sogenannten Selbständigkeitsvertreter unter den
Bürgerlichen hielten die schnelle Ausweitung der Selbständigkeit
Finnlands sowie die Übergabe der Gewalt des Zaren an das finnische Parlament
für vorrangig ("Selbständigkeitslinie").
Die Mehrheit der bürgerlichen Parteien wollte statt dessen vorsichtig
und in Zusammenarbeit mit der Provisorischen Regierung vorgehen. Zwar hatte
die Provisorische Regierung Finnland den grundgesetzlich verankerten autonomen
Status wieder zugestanden, jedoch war Rußland ungeachtet der Kriegsverluste
ein mächtiger Staat, der in Finnland über starke Streitkräfte
(s. Bild) verfügte ("Kooperationslinie").
Der Machtkampf zwischen der Provisorischen Regierung Rußlands,
an deren Spitze Kerenski stand, und der finnischen Selbständigkeitslinie
um die Ausübung der Hoheitsrechte in Finnland spitzte sich im Sommer
1917 zu. Der Finnlandbesuch Kerenskis im Frühling brachte keine Lösung
des Streites mit sich. Aber die Ausübung von Regierungsfunktionen benötigte
wenigstens in einem gewissen Ausmaße Klarheit darüber, wer nun
eigentlich die Macht in den Händen hält. Die Provisorische Regierung
genehmigte den Antrag des unter der Leitung von Tokoi
stehenden Senats, demzufolge einige wenige Angelegenheiten dem Senat Finnlands
zur Entscheidung übertragen wurden. Während der Beratung im Parlament
änderte man den Antrag, "Machtgesetz" genannt, aber so ab,
daß die Hoheitsrechte des Zaren dem Parlament anstelle des Senats übertragen
wurden. Da der Weltkrieg noch weiterging, wurden die Außenpolitik und
das Heerwesen der Provisorischen Regierung zur Entscheidung überlassen.