Die Doppelfunktion als Kaderschmiede der Partei und gleichzeitig
als Vertretung aller Jugendlichen hat den KISZ immer wieder in Schwierigkeiten
gebracht und schließlich in den 1980er Jahren zu einem erheblichen Bedeutungsverlust
geführt. Im ungarischen Zentralrat der Gewerkschaften (SZOT) mit seinen
19 Branchengewerkschaften waren praktisch alle ungarischen Arbeitnehmer vertreten,
was vor allem mit den sozialen Leistungen (s.
Bild) der Gewerkschaften (Urlaubsheime, Erwerbslosengeld etc.) erklärt
werden kann. Im Widerspruch zu der Aufgabe, die materiellen, sozialen und
kulturellen Belange aller Mitglieder zu vertreten, stand die andere Aufgabe
der Gewerkschaften, die Werktätigen zum Aufbau der sozialistischen Gesellschaft
zu erziehen. Die politische Rolle der Gewerkschaften war vergleichsweise gering,
sie traten jedoch in den politischen Diskussionen um Wirtschaftsreformen eher
als ein konservatives Element auf. Erst seit Beginn der 1980er Jahre verstanden
sich die Gewerkschaften zunehmend als Vertreter der Arbeitnehmerinteressen.
Ein weiteres Element, die Patriotische Volksfront, vereinigte laut Verfassung
"die Kräfte der Gesellschaft zum völligen Aufbau des Sozialismus,
zur Lösung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben,
und wirkt bei der Wahl und in der Arbeit der Volksvertretungsorgane mit".
Lange Zeit spielte die Patriotische Volksfront eine eher
marginale politische Rolle und beschränkte sich weitgehend auf die Aufstellung
der Kandidatenlisten für die verschiedenen Wahlen. Erst in den achtziger
Jahren entwickelte sie sich unter der Führung von Imre Pozsgay (s.
Bild) zu einer Organisation halboffizieller gesell-schaftlicher Initiativen
und zu einem der Motoren des Demokratisierungsprozesses. Zusammenfassend läßt
sich das von Kádár geschaffene und durch ihn verkörperte
politische System nicht als eine totalitäre, sondern als eine autoritäre
Diktatur mit einem Hegemonieanspruch der Partei charakterisieren. Das Kádár-System
definierte sich als ein paternalistisch-autoritärer, sozialistischer
Wohlfahrtsstaat mit relativ großem Freiheitsgrad für die Bevölkerung.
Auf der Basis der Erfahrungen von 1956 war es der Versuch, Lösungen innerhalb
des Systems zu finden, die für die breite Bevölkerung tragbar sind,
ohne dabei das nicht hinterfragbare sowjetische Modell antasten zu müssen.
Geleitet von Pragmatismus und Realitätssinn fand eine Reform der kleinen
Schritte in der Innen- und Wirtschaftspolitik statt bei gleichzeitiger außenpolitischer
Gefolgstreue zur Sowjetunion.