Als Merkmal einer rechtsstaatlichen Entwicklung kann man den Abbau der für
das stalinistische System typischen terroristischen Herrschaftsmethoden betrachten,
so wurden z.B. die Staatssicherheitspolizei entmachtet und die Arbeitslager
aufgelöst. Weiter gehören hierzu die Teilamnestie von 1960 und dann
die Generalamnestie (s. Bild)
von 1963, die Liberalisierung des Strafrechtes und der politischen Strafpraxis,
die Einstellung des Störens westlicher Radiosender und die Ermöglichung
von Reisen in den Westen. Merkmal einer gewissen Demokratisierung des politischen
Lebens war die Praxis, daß auch Nichtparteimitgliedern relativ große
Karrieremöglichkeiten offenstanden, daß das Führungspersonal
mit Ausnahme höchster Positionen im wesentlichen nach fachlichen und
nicht nach politischen Kriterien rekrutiert wurde, und daß auch die
soziale Abstammung nicht mehr wie im Stalinismus die entscheidende Rolle spielte,
etwa für die Zulassung zur Universität. Die Partei handhabte ihr
Führungsmonopol relativ zurückhaltend, mehrere Wahlrechtsreformen
in den 1970er und 1980er Jahren ermöglichten sogar Auswahlmöglichkeiten
zwischen den Kandidaten.
Den zur Durchführung dieser Reformmaßnahmen nötigen Freiraum
sicherte sich Kádár durch striktes außen-politisches Wohlverhalten
gegenüber der Sowjetunion.
János Kádár selbst, dem viele der Erfolge persönlich
zugeschrieben wurden, genoß eine hohe Popularität in der Bevölkerung,
die die Erinnerung an seine Rolle in der Revolution 1956 verblassen ließ
und die ihm auch im westlichen Ausland ein hohes, politisch verwertbares Ansehen
(s. Bild) verschaffte.
Das politische System der Kádár-Ära in den sechziger und
siebziger Jahren wurde durch mehrere wesentliche Elemente und Machtorgane
charakterisiert. An erster Stelle stand die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei
(MSZMP, s. Bild). Mit
ihrem Grundprinzip des demokratischen Zentralismus unter-schied sie sich nicht
von anderen sozialistischen Parteien. Zu konstatieren sind aber doch eine
größere Diskussionsoffenheit (s.
Bild) und ein stärkerer Pragmatismus. Die Mitgliederzahl stieg sehr
schnell wieder an, betrug 1970 bereits 662.000 und erreichte in den 1980er
Jahren ihren Höchststand von über 800.000. Der Kommunistische Jugendverband
(KISZ) war die Jugendorganisation der Partei und zugleich die einzige Massenorganisation
für die Jugendlichen, ihm gehörten durchschnittlich etwa 30-40%
der Jugendlichen an.