In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dem Zeitalter
der Romantik, war das Interesse an der finnischen Kultur und Vergangenheit
eine wichtige Quelle der Inspiration für die in finnischer Sprache schreibenden
Dichter. Neben Samuli Kustaa
Bergh (1803-1852), dem Begründer der finnischen Dichtkunst, war August
Ahlqvist (1826-1889) mit seinem nationalromantischen literarischen Werk
der bedeutendste Dichter und die wichtigste kulturelle Persönlichkeit
seiner Zeit.
Die finnische Literatur an sich begann jedoch nicht vor den frühen 1870er
Jahren zu existieren, als der später zum Nationaldichter erklärte
Aleksis Kivi (1834-1872,
s. Bild) seine "Sieben
Brüder" (1870, s.
Gedicht) veröffentlichte. Das Werk beschreibt die Entwicklung von
sieben Waisen-brüdern zu geläuterten Mitgliedern einer Gesellschaft
und nahm damit den Schritt von der Romantik zum Realismus vorweg, einer Entwicklung,
die durch die schnellen Veränderungen in der Gesellschaft und den Beginn
der Industrialisierung seit der Mitte des Jahrhunderts vorangetrieben wurde.
Künstler begannen, Probleme in einer sich industriali-sierenden Gesellschaft
und Veränderungen in den Werten der Menschen zu beschreiben. Ihren ausländischen
Vorbildern folgend, begannen finnische Autoren über die Lebensschicksale
der Armen und Unterdrückten zu schreiben.
Die bemerkenswerteste Vertreterin dieses sog. programmatischen
Realismus war Finnlands erste kritisch umjubelte Schriftstellerin, Minna
Canth (1844-1897, s. Bild).
Sie beschäftigte sich unentwegt mit dem Übel der Gesellschaft, indem
sie die Unterdrückung der Frau, die konservative Haltung der Geistlichkeit
und die Tatsache beleuchtete, daß viele Gesetze hoffnungslos veraltet
waren.
Auch Juhani Aho (1861-1921)
begann als Realist, aber er hat im weiteren Verlauf seiner langen Karriere
mit verschiedenen Stilen experimentiert. Er ist bekannt für sein beispielloses
Talent, das Wesen und die Schöpfung denkwürdiger Charaktere zu beschreiben.
Aho war auch als aktiver Journalist tätig (s.
Gedicht).
Der programmatische Realismus dauerte nur etwa zehn Jahre an, bis die Leserschaft
der ständigen Schilderung von Armut überdrüssig geworden war.
Unter dem Druck der Russifizierungsmaßnahmen wurden Schriften, die das
finnische Volk spalteten, unpopulär, stattdessen gewann die nationale
Einheit wieder an Bedeutung. Auf diese Weise entwickelte sich das Goldene
Zeitalter der finnischen Nationalkultur (s.
Aalberg, Alkio, Kajanus,
Saarinen), das von 1890
bis zum Generalstreik 1905 andauerte und alle Gebiete der Kultur beeinflusste.