Neben der öffentlichen politischen Betätigung ent-wickelten
sich im Land weitreichende freiwillige Aktivi-täten (s.
Kurztext) in zahlreichen Organisationen. Meistens wurden die Organisationen
durch Vertreter der Intelligenz gegründet, in der Hoffnung, im Volk christlich-moralische
Ansichten und Vaterlandsliebe zu wecken. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts
bildete sich, abgesehen von religiösen Erweckungsbewegungen (s.
Laestadius, Renqvist,
Ruotsalainen,
Bild), als erste große Volksbewegung die Abstinenzbewegung heraus.
Ziel der Intelligenz war es, die Landbevölkerung zur Abstinenz, zur Sparsamkeit
und zu folgsamen Bürgern zu erziehen, die sich selbst ernähren konnten.
Zentrale Forderung war der Erlaß eines Alkoholverbots, welches auch
1919 realisiert wurde und bis zum Jahre 1932 in Kraft blieb. Die Mitgliederzahl
der Abstinenzorgani-sationen stieg bis zum Jahre 1905 an, allerdings fiel
sie danach stark ab, da die Arbeiterschaft es vorzog, sich den Organisationen
der sozialdemokratischen Partei anzuschließen.
Neben den Abstinenzorganisationen entstanden Heimvolkshochschulen (s.
Bild), Jugendvereine, landwirt-schaftliche Vereine, Frauenverbände
und Arbeiter-vereine. Die im Jahre 1874 gegründete Volksbildungs-gesellschaft
initiierte öffentliche Gesangs- und Instrumentalfeste, auf denen der
patriotische Geist geweckt wurde.
Auch die Entstehung der Frauenbewegung fällt in diese Zeit des tiefgehenden
gesellschaftlichen Umbruchs.
Das Auseinanderbrechen der ländlichen Gesellschaft infolge
der Industrialisierung änderte die Stellung der Frau derartig, daß
die alten Bestimmungen und Einschränkungen in den Frauenrechten zu einem
Brems-klotz des Fortschritts wurden. Viele Personen der Öffentlichkeit,
wie J.V. Snellman und die
Schriftstellerin Minna Canth,
forderten ebenfalls eine Beseitigung der Mißstände. Von den politischen
Gruppierungen setzten sich die Sozialdemokraten, die Liberalen und die Jungfinnen
für eine Verbesserung der Stellung der Frau ein.
1884 wurde unter der Leitung von Aleksandra
Gripenberg der Frauenverein Finnlands und 1892 nach dem Programm von Lucina
Hagman die radikalere Frauen-Union gegründet. Für die Frauen
forderte man Gleichberechtigung beim Wahlrecht und beim Zugang zu Schulen
und Universitäten sowie zu öffentlichen Ämtern.
Das Erbschaftsgesetz des Jahres 1876 veränderte die Erbfolge, und 1899
wurde das Gesetz abgeschafft, welches die Frauen unter Vormundschaft stellte.
Seit dem Jahre 1883 durften Frauen Abitur machen und 1901 öffneten sich
auch die Türen der Universitäten für die Frauen (s.
Hultin), nachdem sie bis dahin nur mit Sonder-genehmigung studieren konnten.
In Finnland erhielten die Frauen - als erste in Europa - 1906 das Wahlrecht,
obwohl Ehepartner erst 1930 einander gleichgestellt wurden.