Nach der Machtergreifung Alexanders
II. setzte auch in Finnland ein lebhaftes gesellschaftliches und politische
Engagement und eine Reformtätigkeit ein. Gleich bei seinem ersten Finnlandbesuch
1856 diktierte Alexander II. dem Protokoll des Senats ein weitreichendes Reformprogramm.
Zudem verpflichtete er den Senat, Maßnahmen zur Umsetzung zu ergreifen.
Die Reformen betrafen sowohl die Politik und das Wirtschaftsleben als auch
die Gesellschaft. Eine zentrale Reform in der Politik Finnlands war 1863 die
Wiedereinberufung (s. Bild)
des Landtags. Mit Beginn des Jahres 1869 war seine Einbe-rufung nicht mehr
länger vom Willen des Herrschers abhängig, sondern geschah nach
gesetzlichen Vo-rgaben.
Eine zweite grundlegende Änderung des politischen Lebens ereignete sich
auf lokaler Ebene, indem auf dem Land eine Reform der Gemeindeverwaltung durchgeführt
wurde: Man trennte kirchliche und kommunale Angelegenheiten voneinander, wobei
den vermögenden Bauern politische Einflußnahme und somit eine lokale
politische Teilnahme ermöglicht wurde. Als 1873 das Beschlußrecht
von den kleinen Bürgergruppen an die Stadtverordnetenversammlungen überging,
fand auch in der Verwaltung der Städte eine Erneuerung statt. Auf der
Grundlage von Snellmans Programm
entstanden die ersten politischen Parteien:
die finnischgesinnten Fennomanen
und die schwedisch-gesinnten Svekomanen.
Neben diesen beiden agierte auch eine liberale Partei (s.
Liberale Gruppe, Mechelin),
welche die Zweisprachigkeit unterstützte. Diese an der Sprache orientierten
Parteien waren aus lockeren Interessengruppen entstanden, welche sich um Zeitungen
gruppiert hatten: Die Fennomanen gruppierten sich um "Suometar"
und die Svekomanen um "Nya Pressen". So entstand in Finnland eine
politische Presse, obwohl ein großer Teil des Volkes auch weiterhin
nicht über das Wahlrecht verfügte.
Die Frage bezüglich finnischsprachiger Oberschulen verschärfte extrem
die Beziehungen zwischen den Sprachparteien. Die Schwedischgesinnten waren
der Ansicht, daß Finnisch keine Unterrichtssprache sei. Sie widersetzten
sich dem Projekt so vehement, daß die Fennomanen schließlich gezwungen
waren, eine Sammlung bei den Bürgern durchzuführen, um Mittel für
die Gründung von Oberschulen zusammenzubekommen. In Bezug auf die Volksschulen
ließen sich die Forderungen der Fennomanen leichter durchsetzen. So
erging 1866 ein Erlaß (s.
Cygnaeus), demzufolge die Gemeinden verpflichtet wurden, Anfangsunterricht
für Kinder in finnischer Sprache durchzuführen. Allerdings wurde
auch dieses Projekt erst im darauffolgenden Jahrhundert in seiner beabsichtigten
Weite realisiert (s. Kurztext Antti Jalava).