Die Industrialisierung ließ auch in Finnland eine Arbeiter-klasse
entstehen, deren Lebensumstände sehr schwer waren. Nicht vorhandener
Arbeitsschutz, bescheidene Löhne, lange Arbeitszeit, das Fehlen politischer
Rechte und Arbeitslosigkeit verursachten Unzufriedenheit. Fabrikbesitzer,
als erster Viktor Julius von
Wright, gründeten Arbeitervereine, um die Arbeiter ruhig zu halten
und um eine Ausbreitung des Sozialismus zu verhindern. Die Vereine waren unpolitisch
und in ihnen waren sowohl Arbeiter als auch Arbeitgeber versammelt. Ihr Ziel
war es, daß die Arbeiter durch Bildung ihre Stellung selbst verbessern
können. Die Aktivitäten im Sinne Wrights dauerten von Beginn der
80er Jahre des 19. Jahrhunderts bis zum Jahre 1897. Dann ver-selbständigte
sich die Arbeiterbewegung (s.
Sirola, Tokoi) und drängte
die Arbeitgeber aus den Vereinen.
Zugleich begannen Prinzipien des Sozialismus Eingang in den radikalen Kern
der Bewegung zu finden. Während in dem Programm der 1899 gegründeten
Arbeiterpartei Finnlands nur ein kurzer Hinweis auf die internationale Arbeiterbewegung
zu finden ist, machte sich die 1903 gegründete "Sozialdemokratische
Partei in Finnland" das sozialistische Programm mit seinen radikalen
For-derungen zu eigen.
Die politische Arbeiterbewegung betätigte sich auch im
kulturellen Bereich (s. Lassila).
Mitglieder von Büchereien und Teilnehmer von Abendveranstaltungen sowie
Theater-, Turn- und Abstinenzgruppen trafen sich in den Gewerkschaftshäusern.
Die Zeitungen der Arbeiterschaft fanden Anfang des 20. Jahrhunderts große
Verbreitung. Auch griff die Zensur nicht in ihre Aktivitäten ein, vorausgesetzt,
daß sie nicht die Russen kritisierten.
Ein besonderes Kennzeichen der finnischen Arbeiter-bewegung war, daß
sie breite Unterstützung auch in ländlichen Gegenden fand, obwohl
die größte Unter-stützung aus den Industriezentren in Südfinnland
kam. In der zugespitzten politischen Situation während der Jahre 1906
und 1907 wurde die Arbeiterbewegung von einer Beitrittswelle überrollt.
Die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter war bei weitem nicht so fortgeschritten
wie die politischen Aktivitäten. Als erstes gründeten die Buchdrucker
1885 eine Gewerkschaft, und eine zentrale Organisation, der Finnische Gewerkschaftsverband,
wurde 1907 gegründet. Im allgemeinen waren die Gewerkschaften radikaler
als die politischen Vereinigungen.