Der 1. Fünfjahresplan (1950-1954) sah als Planziel eine schnelle Industrialisierung vor, d. h. eine Erhöhung der Industrieproduktion um 90%, der Schwerindustrie um 105%, der Landwirtschaft um 35% und des Lebensstandards um 35%. Nach dem Erfolg des ersten Planjahres wurden die Planziele geändert und ins Irreale geschraubt, was für die Wirtschaft verheerende Folgen haben sollte. Das Investitionsvolumen überschritt die materiellen Möglichkeiten, die einseitige Bevorzugung der Schwerindustrie (Bergbau, Eisenverhüttung und Stromindustrie, s. Bild) als Basis für eine Kriegsindustrie - in diesen Bereich flossen zeitweise über 90% aller industriellen Investitionen - führte zur strukturellen Disproportion der Wirtschaft des Landes. Der Plan berücksichtigte auch nicht die fehlende Rohstoff- und Energiebasis. Riesige Beträge flossen in sozialistische Prestigeobjekte, wie z. B. in das Staustufensystem der Theiß oder in die Errichtung der sogenannten sozialistischen Städte, die auf der grünen Wiese gebaut wurden, und die aus einer planerischen Einheit von schwerindustriellen Betrieben und den dazugehörigen Wohnvierteln für die Arbeiterschaft bestanden. Das bekannteste Beispiel hierfür ist Stalinstadt (s. Bild 1, Bild 2), das heutige Dunaújváros. Auf der anderen Seite wurde die über eine große Vergangenheit verfügende Konsumgüterindustrie
(Lebensmittel- und Leichtindustrie) sträflich vernach-lässigt.
Zu dem beträchtlichen Industriewachstum trug auch der enorme Anstieg
der Zahl der Industriebeschäftigten bei (s.
Bild). Dieser speiste sich aus der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der
wachsenden Beschäftigtenrate von Frauen und insbesondere aus dem Wechsel
von landwirtschaftlichen Beschäftigten in die Industrie. Ihren Spitzenwert
erreichte die Industrie 1955 mit einem Anteil von 55,0% am Nationaleinkommen,
gegenüber 1939 von 39% und 1949 von 42%.
Die geringen Investitionen in die Landwirtschaft im Verbund mit der zwangsweisen
Kollektivierung, der starken finanziellen Benachteiligung, der unzu-reichenden
Mechanisierung(s. Bild)
und des eklatanten Mangels an Fachkräften führten zu einem Rückgang
der landwirtschaftlichen Produktion, so daß die Versorgung der Bevölkerung
mehrfach nicht gesichert war und das einstige Agrarexportland Ungarn Lebensmittel
importieren mußte. Das Realeinkommen und der Lebensstandard der Bevölkerung
sanken, eine allgemeine, kurz vor einem explosiven Ausbruch stehende Unzufriedenheit
mit den Lebensbedingungen machte sich überall breit.