Mit seinem Tod am 6. Juli 1989 nahm János Kádár
sein streng gehütetes Geheimnis mit ins Grab, warum und unter welchen
Umständen die Wahl der Sowjets gerade auf ihn fiel, um die Regierungsgewalt
und die Parteiführung nach der Niederschlagung der Revolution zu übernehmen.
Es läßt sich nur spekulieren, daß die Sowjets in ihm eine
Person sahen, die weder mit der dogmatischen, stalinistischen Politik eines
Rákosi noch mit der revisionistischen, eine nationale Neutralität
anstrebenden Politik eines Imre Nagy identifiziert werden konnte. Zudem war
Kádár selbst Opfer des Personenkults gewesen und man konnte
ihm wohl deshalb keine besondere Ambitionen unterstellen, ebenfalls derartige
Methoden anzuwenden.
Zudem hatte er in der Vergangenheit gezeigt, daß er
die Fähigkeit besaß, öffentliche Stimmungen zu erkennen und
entsprechend zu reagieren. Nicht zuletzt galt er als Sympathisant der reformerischen
Politik von Chruschtschow (s.
Bild).
In der über 30 Jahre dauernden Periode befand sich Kádár
immer an der Spitze der Macht und er übte einen heute noch kaum zu ermessenden
Einfluß auf die neueste Geschichte Ungarns aus. Bereits zu Lebzeiten
verlieh Kádár der Periode und dem politischen System seinen
Namen. Welches waren nun die Geheimnisse seines Erfolges? Wie sahen die grundlegenden
Elemente, Strukturen und Entwicklungen des Kádár-Systems aus?
Antworten auf diese Fragen zu geben, soll in den folgenden Kapiteln versucht
werden.