Beim Vergleich der mittelalterlichen Geschichte Ungarns und
Finnlands überwiegen die divergenten Elemente und Entwicklungen. Dies
läßt sich vor allem darauf zurückführen, daß es
den Ungarn gelang, in dem Jahrhundert nach der Landnahme ihr Territorium auszuweiten
und offensiv nach außen zu sichern, sowie einen unabhängigen Staat
mit allen Merkmalen einer starken Eigenstaatlichkeit zu begründen und
zu behaupten. Finnland dagegen besaß keine Eigenstaat-lichkeit, sondern
es lag in der Interessensphäre sowohl Schwedens als auch Novgorods. Aus
diesem Kampf um die Herrschaft über Finnland gingen letztlich die Schweden
siegreich hervor (Friede von Pähkinässaari 1323). Finnland bildete
eine territoriale Einheit innerhalb Schwedens, so daß seine Geschichte
ausschlaggebend von außen, von Schweden bestimmt wurde.
Im Gegensatz zu Finnland bildete Ungarn im Mittelalter auch im europäischen
Maßstab eine politische Großmacht. Es war trotz zahlreicher Thronfolgestreitig-keiten
und trotz der Zerstörung durch den Mongolensturm 1241/42 in der Lage,
seinen Herrschafts-bereich durch dynastische Beziehungen weiter auszu-bauen
und erlebte mehrere politische und kulturelle Blütezeiten.
Die Gefahr für die Existenz Finnlands als Teil Schwedens
resultierte vor allem aus den Kriegen, in denen Schweden verwickelt war, und
sie bestand in erster Linie darin, von Rußland erobert zu werden. Ungarns
Existenz geriet vor allem durch äußere Bedrohung aus dem asiatischen
Osten - durch den Mongolensturm 1241/42 - und dann seit dem 15. Jahrhundert
durch die osmanischen Angriffe aus dem Südosten Europas in Gefahr.
Ungarn und Finnland waren beide zu Beginn ihrer mittelalterlichen Geschichte
einer Christianisierung ausgesetzt. Während die Christianisierung in
Ungarn mit einer bewußten Entscheidung für die römische Kirche
verbunden war, lag Finnland im Einzugsbereich sowohl der katholischen als
auch der orthodoxen Kirche, was zu einer religiösen Trennung zwischen
den Katholiken in Finnland und den Orthodoxen in Karelien führte. In
beiden Ländern wurde die Christianisierung im gewissen Sinne gewaltsam
herbeigeführt: Nach Finnland waren mehrere Kreuzzüge gerichtet,
in Ungarn mußte Widerstand in Form von Heidenaufständen gewaltsam
niedergeschlagen werden.