Auch die Kulturpolitik, die unter der Leitung des Philosophen
György Lukács
stand, war bestrebt, sämtliche Zweige der Kultur, der Wissenschaft und
des Bildungswesens revolutionär umzugestalten. Von elementarer Bedeutung
waren die Trennung von Staat und Kirche und die Verstaatlichung des überwiegend
kirchlichen Schulwesens. Es wurden die 8-jährige Schulpflicht ohne Schulgeld
eingeführt und zahlreiche Volksbildungsmaßnahmen, insbesondere
Alphabeti-sierungsmaßnahmen, eingeleitet. Zahlreiche als progressiv
geltende Künstler und Schriftsteller wurden staatlich gefördert
und stellten sich in den Dienst der Räterepublik. Die Tätigkeit
der Akademie der Wissenschaften, die als reaktionär galt, wurde einge-stellt.
Zahlreiche Professoren wurden von den Hoch-schulen vertrieben und durch neue
ersetzt.
In Ungarn wurde ein Rätesystem nach sowjetischem Muster eingeführt.
Die Mitglieder der untersten Ebene des Rätesystems, also auf Gemeindeebene
oder in Budapest auf Bezirksebene, wurden mittels einer Einheitsliste direkt
gewählt. Die ersten Rätewahlen wurden am 7. April 1919 durchgeführt;
allerdings gab es kein allgemeines Wahlrecht, da die sogenannten Besitzenden
ausgeschlossen und somit nur etwa 50% der Bevölkerung wahlberechtigt
waren.
Von den Mitgliedern der Räte auf unterster Ebene wurden
dann die Räte auf der nächst höheren Ebene, der Kreisebene,
gewählt usw. Die Tätigkeit der Räte wurde von permanent tagenden
Exekutivkommissionen, den sogenannten Direktorien, geführt, die vom jeweiligen
Rat gewählt wurden. Die Räte besaßen eine relativ große
Befugnis, höhere Räte konnten Beschlüsse der jeweils niederen
Räte außer Kraft setzen.
Das alte Justizsystem wurde sofort aufgelöst. An Stelle der Gerichte
traten Revolutionstribunale, die im Verhältnis 2 : 1 aus Arbeitern und
Bauern einerseits und Juristen andererseits zusammengesetzt waren. Diese Tribunale
waren es in erster Linie, die für das Schreckensregime verantwortlich
gemacht werden können, das unter offener Verletzung geltender Rechtsnormen
wirkliche und vermeintliche Gegner verfolgte und das als "roter"
Terror (s. Szamuely) in
die ungarische Geschichte eingegangen ist. Verstärkt wurden diese Terrormaßnahmen
noch durch die Verhängung des Standrechts.