Die wichtigste sozialpolitische Entscheidung der Károlyi-Regierung
betraf die Bodenreform. Die Verabschiedung des Bodenreformgesetzes verzögerte
sich zunächst im Laufe des Winters 1918/19, weil die Regierung scheute,
sich mit einem überstürzten Gesetz an die Spitze einer sozialrevolutionären
Bewegung zu stellen; zudem stieß es naturgemäß auf heftigen
Widerstand der Groß- grundbesitzer und der katholischen Kirche als größtem
Landbesitzer, und auch innerhalb der Regierung gab es kontroverse Auffassungen.
Das schießlich am 16. Februar 1919 verabschiedete Gesetz enteignete
die privaten Besitztümer größer als 500 Katastraljoch (1 Katastraljoch
bzw. Joch entspricht 0,575 ha) und die kirchlichen Besitztümer größer
als 200 Joch, jeweils gegen Entschädigung. Der enteignete Boden sollte
als landwirtschaftlicher Besitz in einer Größe von jeweils 5-20
Joch oder als Familiengarten in einer Größe von 1-5 Joch vor allem
an ehemalige Knechte, Landarbeiter und Kriegsteilnehmer verteilt werden.
Die Bildung von Genossenschaften wurde gestattet. Zur Durchführung
der Bodenreform war ein kompliziertes und langwieriges bürokratisches
Verfahren vorgesehen; eine eigenmächtige Landaneignung wurde verboten.
Für ein Land mit einer feudalistischen Besitzstruktur, in der der Großgrundbesitz
weit dominierte, war dieses Bodenreformgesetz von historischer Bedeutung.
Dennoch stellte es die ländliche Bevölkerung nicht zufrieden, weil
es zu spät kam, weil es zu kompliziert und langwierig in seiner Durchführung
war und weil die neuen Eigentümer Entschädigung zahlen sollten.
Das Gesetz wurde praktisch nicht mehr umgesetzt, einzig Graf Károlyi
(s. Bild) verteilte
bereits am 23.2.1919 seinen eigenen Großgrundbesitz.