Auch Károlyi
und Jászi wurde klar,
daß die territoriale Integrität Ungarns infolge der Haltung der
Entente und der neuen Nachbarstaaten nicht mehr zu retten war. Sie unternahmen
noch den ebenfalls gescheiterten Versuch, die von Jászi entwickelte
Konzeption der Donau-konföderation als neue Möglichkeit zur Lösung
des Nationalitätenproblems zu propagieren. In dieser Donaukonföderation
sollte Ungarn als eine Art östliche Schweiz mit autonomen Nationalitätenteilstaaten
auf-gebaut werden, die aber zusammen eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Zugleich sollte Ungarn den Kristalli-sationskern für eine Konföderation
der Donaustaaten bilden.
Die von der ungarischen Regierung Ende 1918, Anfang 1919 erlassenen Nationalitätengesetze waren zwar äußerst fortschrittlich, vorbildlich und weitgehend, aber praktisch gegenstandslos, weil die Nationalitäten mit Ausnahme der Deutschen und Ruthenen nicht bei Ungarn verbleiben wollten. Wie schon in der Revolution 1848/49 kamen die Nationalitätengesetze viel zu spät. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, daß gerade die beiden Politiker, die sich im dualistischen Ungarn am stärksten für die Belange der Nationalitäten eingesetzt hatten und für die Freundschaft zu den Entente-Mächten eingetreten waren und deshalb immer heftigen Angriffen ausgesetzt waren, in dem Moment, als sie hofften, ihre Politik endlich verwirklichen zu können, gerade an dieser Frage scheiterten.