Die kulturelle Entwicklung Ungarns im 16. Jahrhundert wurde
durch die Verbreitung der humanistischen Literatur und der Renaissance, vor
allem aber durch die Ausbreitung der Reformation (s.
Karte) geprägt. Besonders mit der Reformation waren die Verbreitung
der Muttersprache und Versuche zu deren Vereinheit-lichung verbunden. Diesem
Zweck dienten z.B. die 1539 noch auf lateinisch erschienene erste Grammatik
der ungarischen Sprache von János
Sylvester, der auch als erster das Neue Testament ins Ungarische übersetzte
(1541), und die erste, von Gáspár
Károlyi 1590 angefertigte Übersetzung (s.
Bild) der gesamten Bibel. Im Zuge der Reformation wurden zahlreiche Predigt-
und Liedsammlungen (s. Bornemisza)
sowie Historienlieder in ungarischer Sprache veröffentlicht, die in erzieherischer
Absicht biblische Geschichten und Berichte über Ereignisse der Gegenwart
und Vergangenheit verbreiteten. Die größte literarische Bedeutung
erlangte Bálint Balassi
(1554-1594, s. Bild)
mit seinen Gedicht-zyklen (s.
Gedicht) und Liebeskomödien.
Die Reformation verbreitete sich schnell und nahezu ungehindert in Ungarn,
wobei zunächst der Protestantismus Luthers und dann der Kalvinismus wirkten.
Auch der ungarische Adel schloß sich bis auf wenige Ausnahmen der Reformation
an, wobei dieser darin vor allem auch eine Waffe zur Bekämpfung der königlichen
Macht sah.
Die beiden reformierten Konfessionen hatten unter-schiedliche
Verbreitungsgebiete. Luthers Lehren fanden ihre Anhänger überwiegend
in den deutschen Städten, bei den Siebenbürgener Sachsen und in
dem von Ungarn und Slowaken bewohnten nordwestlichen Teil Ungarns, während
sich der Kalvinismus vor allem in den von den Türken besetzten Gebieten
und bei den Ungarn in Siebenbürgen verbreitete. Die im Fürstentum
Sieben-bürgen praktizierte religiöse Toleranz mit der vollen Gleichberechtigung
der reformierten Konfessionen (s.
Karte) mit dem Katholizismus war seinerzeit einmalig in Europa, wurde
allerdings durch die zeitweilige Unter-drückung der Katholiken und durch
die bis zum Toleranz-patent Josephs
II. andauernde Unterdrückung der Orthodoxen (Rumänen) wieder
eingeschränkt.
Wesentliche Impulse zur kulturellen Weiterentwicklung gingen von den reformierten
Schulen und Kollegien (s. Karte
1, Karte 2) in Sárospatak
(s. Bild), Debrecen (s.
Méliusz) und Gyulafehérvár aus, die, alle im Norden
und Nordosten Ungarns gelegen, ein hohes akademisches Niveau aufwiesen.