Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verloren sowohl Finland
als auch Ungarn den besonderen Status, den sie aufgrund ihrer Beziehungen
zu Moskau hatten. Beide Länder mußten eine Neudefinition der Außen-
und Wirtschaftspolitik vornehmen mit dem Ziel der stärkeren Einbindung
in die westlichen Sicherheits- und Bündnissysteme und dabei zugleich
auch ihre nationale Identität und nationale Interessen verteidigen. Zusätzlich
zu den damit verbundenen Problemen fand in Ungarn eine grundlegende Transformation
des politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Systems statt. Dennoch
zeigt sich - trotz vorhandener Unterschiede - eine starke Konvergenz in der
neueren Entwicklung der beiden Länder.
Die Außenpolitik beider Länder hat sich seit dem Fall der Berliner
Mauer völlig umorientiert. Beide Länder orientieren sich Richtung
Westeuropa. Finnland trat 1995 der Europäischen Union bei. Nachdem es
bereits 1991 ein Assoziierungsabkommen abgeschlossen hatte, stellte Ungarn
1994 einen offiziellen Aufnahmeantrag, mit den Aufnahmeverhandlungen wurde
1998 begonnen. Ungarn wurde 1999 in die NATO aufgenommen, Finnland dagegen
wahrte seine Neutralität, ließ aber die Abhaltung von NATO-Manövern
auf seinem Gebiet zu. Beide Länder beteiligen sich intensiv an internationalen
Friedensmissionen im Rahmen der NATO, der OSZE und der UNO. Sie versuchen,
regionale Interessen mit europäischer Außenpolitik zu korrelieren.
Das Ende der Rolle der Sowjetunion als wichtigster Außenhandelspartner
war ein Schock für beide Länder. 1999 hatte der Handel mit Rußland
einen Anteil von nur noch 5% am finnischen Außenhandel (ein Fünftel
im Vergleich zum Jahr 1988), der Anteil Rußlands am ungarischen Außenhandel
war sogar noch geringer. Beide Länder haben ihre Außenhandelsstrukturen
völlig umorientiert, jetzt nimmt Deutschland die führende Rolle
als Außenhandelspartner ein.
Der Wegfall des Außenhandels mit der Sowjetunion bzw. Rußland
und die daraufhin erfolgte außenwirtschaftliche Umorientierung hat in
Finnland wie in Ungarn zu einem grundlegenden Wandel der Wirtschaftsstruktur
geführt. Es wurden völlig neue hochtechnologische Industriezweige
aufgebaut. Während dies in Finnland zu einem großen Teil aus eigener
Kraft geschehen ist, haben in Ungarn hierbei ausländische Direktinvestitionen
eine ausschlaggebende Rolle gespielt.
Der Umbau der Wirtschaft hatte gravierende soziale Folgen, da zahlreiche Industriebetriebe
stillgelegt wurden und die dortigen Arbeitsplätze entfielen. Diese Folgen
waren in Ungarn wegen der grundlegenden Wirtschaftstransformation noch härter.
Finnland und Ungarn verzeichneten in den 1990er Jahren eine steigende Arbeitslosigkeit,
die Werte von bis zu 20% erreichte.