Die Transformation des Wirtschaftssystems war natürlich
mit zahlreichen Problemen verbunden. Zunächst fehlten 1990 generell ein
theoretischer Hintergrund und ein schlüssiges Konzept zur Durchführung
einer ökono-mischen Transformation (Schocktherapie vs. allmähliche
Umgestaltung). Dann waren in der Antall-Regierung relativ wenige Wirtschaftsexperten
vertreten, da diese als Angehörige der technokratischen Elite des alten
Systems meistenteils in die private Wirtschaft abgewandert waren. Symptomatisch
für das Fehlen klarer Vorstellungen war, daß die Antall-Regierung
ihr Wirtschaftsprogramm, das sog. Kupa-Programm, erst nach einem Jahr, im
April 1991, verabschiedete. Auch danach kam es häufiger zu Kontroversen
innerhalb der Koalitionsregierung, weil z.B. einige für das alte System
typische Wirtschaftsinstitutionen, wie Genossen-schaften, aus ideologischen
Gründen abgelehnt wurden. Letztlich zeigte die Antall-Regierung geringe
Entschlossenheit, unpopuläre Maßnahmen schnell zu treffen, um die
gesellschaftlichen Spannungen nicht weiter zu verschärfen.
Im Gegensatz dazu legte die Horn-Regierung ihr besonderes Schwergewicht auf
den Wirtschaftssektor. Da das Haushaltsdefizit und das Außenhandelsdefizit
Mitte der 1990er Jahre kritische Ausmaße angenommen hatten, beschloß
die Regierung im März 1995 das nach dem Finanzminister benannte "Bokros-Paket".
Es enthielt mehrere Stabilisierungsmaßnahmen, die eigentlich schon von der Vorgängerregierung hätten durchgeführt werden müssen. Allerdings hat auch die Horn-Regierung einige Maßnahmen wegen ihrer immensen Härte später wieder teilweise rückgängig gemacht. Um das Haushaltsdefizit zu reduzieren, wurden die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um 20.000 Stellen abgebaut, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gekürzt, das Kindergeld teilweise gekürzt und Studiengebühren eingeführt. Zum Abbau des Außenhandelsdefizits und der Auslandsschulden wurde der Forint einmalig um 9% und danach schrittweise in festgelegten Abständen und Umfang abgewertet, wurde jeder Importartikel mit wenigen Ausnahmen zeitlich befristet mit einem Sonderzoll in Höhe von 8% belegt und die Mehrwertsteuer auf Importartikel von 10 auf 12% aufgestockt. Die Steigerungsrate der Löhne in der öffentlichen Verwaltung wurde auf ein Maximum von 15% festgelegt und lag damit deutlich unterhalb der Inflationsrate. Die Konsequenzen dieser Maßnahmen im Außenhandel waren offenkundig: Exporte wurden billiger und Importe teurer, so daß die Exportrate beträchtlich anwuchs, auch das Haushaltsdefizit sank in einem signifikanten Ausmaß.