Zum einen wurde diese Frage in die bilateralen Verträge
im Sinne einer "Minderheitenaußenpolitik" (s.
Karte) einbezogen, zum anderen strebte Ungarn nach einer Internationalisierung
dieses Komplexes im gesamteuro-päischen Rahmen. Auch die von Ungarn zu
Beginn der 1990er Jahre ausgegangenen intensiven Bemühungen um mitteleuropäische
Regionalkooperationen sind in diesem Kontext zu sehen.
Die Orbán-Regierung war bestrebt, das gutnachbarliche Verhältnis
vor allem mit der Slowakei und Rumänien dadurch zu unterstreichen, daß
man deren Bemühungen um Mitgliedschaft in der NATO und in der EU unterstützte.
Die Einführung einer etwaigen doppelten Staatsbürgerschaft für
die Konnationalen wurde von der Regierung zunächst ebensowenig angestrebt
wie die Forderung nach Autonomie für die in der Vojvodina lebenden Magyaren.
Diese moderate Tendenz in der Nachbarschafts- und Minderheitenpolitik kam
in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 zu einem Ende, als der FIDESZ den
Vorschlag machte, den Mitgliedern der im Karpatenbecken lebenden magyarischen
Minderheiten (s. Karte) im
Mutterland einen rechtlichen Sonderstatus zuzugestehen.
Das Mitte Juni 2001 im Parlament verabschiedete sogenannte "Statusgesetz"
sieht für Mitglieder der magyarischen Minderheiten bei Aufenthalten in
Ungarn
neben Vergünstigungen im Unterrichts-, Verkehrs- und Gesundheitswesen auch Vergünstigungen auf kulturellen Gebieten vor und regelt das Recht, im Mutterland befristet Arbeit aufzunehmen. Am Wohnort können Mitglieder der magyarischen Minderheit Mittel für kulturelle und pädagogische Projekte beantragen; Familien steht darüber hinaus ein zusätzliches Kindergeld vom ungarischen Staat zu, sobald sie zwei Kinder in eine ungarische Schule schicken. Um in den Genuß dieser Vergünstigungen zu gelangen, muß man einen von ungarischen Behörden ausgestellten Ausweis beantragen. Dafür ist es wiederum notwendig, sich als Ungar zu deklarieren und die Empfehlung einer im jeweiligen Nachbarstaat tätigen ungarischen Organisation vorzuweisen. Dieses Verfahren ist jedoch mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, nicht zuletzt, weil die Mitglieder der magyarischen Minderheiten eigens ins Mutterland reisen müssen, um den Ausweis zu beantragen. Wohl auch aus diesem Grund haben bis Mitte 2002 lediglich 430.000 Menschen den Ausweis beantragt. Auf Kritik stieß das "Statusgesetz" insbesondere bei der slowakischen und rumänischen Regierung. Man sah darin eine Diskriminierung der jeweils eigenen Mehrheit und einen unzulässigen Eingriff in die staatsbürgerlichen Pflichten der ungarischen Minderheiten.