Nachdem sich das Kádár-System als unfähig
erwiesen hatte, die in den 1980er Jahren immer komplexer werdende Krisensituation
zu bewältigen, und schließlich auch seine Legitimitätsbasis
verloren hatte, setzten weitreichende Transformationsprozesse ein, die alle
Bereiche von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft berührten. Es gelang
in Ungarn sehr schnell, ein politisches System zu errichten, das sich trotz
einiger Mängel in der politischen Kultur durch eine vergleichsweise hohe
Stabilität und Funktionsfähigkeit auszeichnete. Besonders schnell
und erfolgreich lief die Umgestaltung des sozialistischen zu einem kapitalistischen
Wirtschaftssystem ab. Die Grundlagen für diesen Prozeß waren bereits
in der Kádár-Ära gelegt worden. Die Transformation von
Politik und Wirtschaft wirkte sich gravierend auf die Gesellschaft aus. Sie
wurde in vielfältiger Weise umgestaltet und mußte erhebliche Lasten
tragen, die zu starken Spannungen führten.
Der Systemwechsel selbst läßt sich als ein Vorgang charakterisieren,
der hauptsächlich von politischen Eliten ohne große Massenbasis
getragen wurde. Es handelte sich um eine zwischen Reformkommunisten und oppositionellen
Kräften ausgehandelte, konsensuelle Revolution.
Politische Eliten festigten ihre Interessenlagen und brachten
die Reformen durch deren Verrechtlichung zu Ende, ohne dabei durch gesellschaftliche
Umwälzungen radikalisiert worden zu sein. Der Systemwechsel war also
eine Revolution hinsichtlich der grundlegenden Änderung des politisch-ökonomisch-gesellschaftlichen
Modells, nicht aber hinsichtlich seines Ablaufes. Seine Ursachen lagen wesentlich
stärker in den ökonomischen Schwierigkeiten und dem damit verbundenen
Scheitern des Kádár-Systems als in unbefriedigten bürgerlich-demokratischen
Rechten.
Das neue politische System wurde 1989 in einem erstaunlich kurzen Zeitraum
geschaffen. Es weist alle Merkmale westlicher Demokratien auf und hat in dem
vergangenen Jahrzehnt seine Stabilität und Funktionstüchtigkeit
bewiesen. Im Gegensatz zu anderen Transformationsländern überstanden
bisher alle gewählten Regierungen ihre gesamte Amtszeit, und auch die
Regierungswechsel nach jeder Wahl verliefen ohne Erschütterung des politischen
Systems. Außen- und sicherheitspolitisch wurde der Systemwechsel von
einer völligen Neuorientierung Richtung Westen begleitet.