Veränderte Absatzmärkte und gewandelte Siedlungs-strukturen führten im 18. Jahrhundert zu einem Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die extensive Viehhaltung, insbesondere Rinderzucht, verlor gegenüber dem Getreideanbau an Bedeutung, denn die schnell wachsenden Bevölkerungszahlen in Österreich und in den anderen europäischen Ländern boten gute Exportmöglichkeiten für Getreide. In Ungarn selbst hatte sich in der Großen Tiefebene, dem früheren Kerngebiet der Viehzucht, die Siedlungsstruktur geändert. Die bäuerliche Bevölkerung hatte ja in der Türkenzeit die meisten Dörfer verlassen und war aus Sicherheits-gründen in die Marktflecken geströmt. Nach dem Rückzug der Türken begannen sie von ihren Wohnplätzen in den Marktflecken aus, Ackerbau in der Gemarkung am Rande dieser Siedlungen zu betreiben. Die Ackerbauflächen wurden immer weiter hinaus verlagert; weil die täglichen Wege zu weit wurden, begann man, provisorische Unterkünfte auf den Feldern zu errichten, die nach und nach zu festen Unterkünften wurden. Damit war die Grundlage für das für die Große Tiefebene typische Siedlungselement der Einzelgehöfte (ung. 'tanya') gelegt. Dieses Siedlungssystem hatte Bestand bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Marktflecken behielten, obgleich sie häufig mehrere zehntausend Einwohner hatten, ihren agraren Charakter ebenfalls bis in die Gegenwart bei.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzten vor
allem auf den Großgrundbesitzen zahlreiche Moderni-sierungsmaßnahmen
ein, da auf Grund des erhöhten Bedarfes der Monarchie an Lebensmitteln
und Roh-stoffen eine Intensivierung und Diversifizierung der landwirtschaftlichen
Produktion erforderlich war. Derartige Maßnahmen waren z.B. die Umstellung
auf die Dreifelderwirtschaft und die Einführung des eisenbe-schlagenen
Holzpfluges. Als neue Nutzpflanzen wurden u.a. Tabak, Mais, Kartoffeln und
Futterpflanzen eingeführt. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählten
die Gründung der Landwirtschaftsschule in Szarvas 1780 durch Sámuel
Tessedik und des Georgikon in Keszthely, einer der ältesten Landwirtschaftsakademien
Europas, durch Graf György
Festetich 1797.
Infolge der Ausweitung des Ackerbaus stieg die Belastung der Leibeigenen (s.
Bild), insbesondere deren Pflicht zur Fronarbeit, so stark an, daß
es bereits zu Bauernunruhen in Westungarn und damit zur Bedrohung des inneren
Friedens kam. Um die Auswüchse der feudalen Lasten zu bekämpfen,
erließ Maria Theresia
1767 das Urbarialpatent
(s. Bild), in dem die
Größe des dem Leibeigenen zu überlassenden Bodens einerseits
und der Umfang der zu erbringenden Dienstleistungen andererseits festgeschrieben
wurden.