Im 18. Jahrhundert fand eine Entwicklung im Bereich der Gesellschaft
statt, die für die spätere Geschichte Ungarns von ausschlaggebender
Bedeutung sein sollte. Zum Wiederaufbau und zur wirtschaftlichen Konsoli-dierung
des Landes bedurfte es dringend einer Kompensation der während der Türkenzeit
aufge-tretenen Bevölkerungsverluste bzw. einer Neuordnung der Bevölkerungsverteilung.
Bereits im 16. und 17. Jahrhundert war es zu einer Süd-Nord-Wanderung
südslawischer Bevölkerung ge-kommen, die vor den Türken flüchtete.
In den 1690er Jahren und dann verstärkt im zweiten Jahrzehnt des 18.
Jahrhunderts fand eine umfangreiche Binnenwanderung (s.
Karte) statt. Aus den relativ dichter besiedelten nördlichen Teilen
Transdanubiens und vor allem Oberungarns wanderten ungarische und slowakische
Bauern, getrieben von den Abgabelasten und von Mangel an Land, in die südlichen
Gebiete der Großen Tiefebene und in die gerade befreiten Gebiete des
Banats. Aus den benachbarten Fürstentümern strömten Rumänen
über die Karpaten hinweg in das Gebiet Siebenbürgens hinein. Die
größte Bedeutung aber hatte die Anwerbung von deutschen Siedlern
aus dem gesamten süddeutschen Raum im Rahmen von staatlichen Ansiedlungsprogrammen
des Wiener Hofes, aber auch privater Grundherren.
In drei großen Ansiedlungswellen wurden sie in der
Batschka, im Banat, in den Komitaten südlich des Plattensees, im Bakony-Gebirge,
im Gebiet um Buda sowie um Sathmar angesiedelt (s.
Karte). Sie machten wüst gefallene Landstriche wieder urbar und bauten
ein umfangreiches Handwerkswesen auf. Nicht selten scheiterten sie auch und
starben an Entbehrungen und Seuchen. Die Siedler erhielten zwar Unterstützung
und genossen gewisse Privilegien (s.Karte),
mußten zugleich aber auch Vermögenswerte in vorgeschriebener Höhe
mitbringen. Besonders wichtig war der Umstand, daß die deutschen Siedler
ein großes Innovationspotential mit sich brachten und somit erheblich
zur Modernisierung von Landwirtschaft und Handwerk beitrugen. An vielen Orten
hatten die Migrationsbewegungen den Effekt, daß die deutschen, slowakischen
und magyarischen Bauern mit ihrer ertragreicheren Ackerbauwirtschaft die vorher
zugewanderten Serben mit ihrer überwiegend extensiven Weidewirtschaft
wieder verdrängten.