Die Forderung nach Revision des Friedensvertrages von Trianon
erhielt eine überragende Funktion als ideologisches Fundament des Systems.
Trianon diente dazu, die Aufmerksamkeit von den immensen sozialen und wirtschaftlichen
Problemen, von den reaktionären Strukturen des Systems und von der Notwendigkeit
einer Demokratisierung abzulenken. Der Bevölkerung wurde immer wieder
eingetrichtert, daß die Ursache aller Mängel in den Revolutionen
1918/1919 und in der Verstümmelung Ungarns läge, für die ebenfalls
die Revolutionen verantwortlich seien, daß eine Ver-besserung ihres
Schicksals nicht von einer Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse
abhänge, sondern daß die Prosperität der Nation einzig und
allein davon bestimmt werde, ob es gelänge, die revisionistischen Ziele
zu verwirklichen und die verlorengegangenen Gebiete wieder anzuschließen.
Insgesamt gelang der Regierung István
Bethlen zwar eine innenpolitische und wirtschaftliche Konsolidierung,
es konnte aber kein echter Fortschritt erzielt werden. Auch waren die Fundamente
der Konsolidierung nicht stabil genug, der Erschütterung durch die Wirtschafts-krise
von 1929 standzuhalten. Als die Folgen der Wirtschaftskrise zu sozialen Unruhen
führten, wurde die Regierung Bethlen im Sommer 1931 gestürzt. Die
tief-greifenden Interessengegensätze unter den Trägern des Systems
wurden deutlich sichtbar.
Die Popularität der Oppositionsparteien, insbesondere
der Partei der Kleinen Landwirte, wuchs an. Der Ruf nach dem "starken
Mann" wurde immer lauter; die politischen Vertreter der konservativen
Großgrundbesitzer verloren schließlich den Kampf um die Macht.
In Ungarn vollzog sich eine politische Rechtswendung.
Auf Grund seiner Aktivitäten während der Gegen-revolution erschien
Gyula Gömbös (1932-1936)
besonders geeignet, die Rolle des "starken Mannes" zu übernehmen.
Er besaß einen starken Rückhalt sowohl im Offizierskorps als auch
im Verwaltungsapparat. Gleich nach seiner Regierungsübernahme am 1.10.1932
veröffentlichte er den aus 95 Punkten bestehenden Nationalen Arbeitsplan
- ein demagogisches Konglo-merat aus sozialen, nationalen, arbeiterfeindlichen,
antidemokratischen und chauvinistischen Ver-sprechungen. Beflügelt von
den Erfolgen des Faschismus in Deutschland und Italien stellte die Politik
Gömbös' einen Versuch dar, auch in Ungarn eine totalitäre faschistische
Diktatur aufzubauen. Allerdings war seine Politik nicht unumstritten, insbesondere
seine persönlichen diktatorischen Ambitionen wurden von den konservativen
Politikern heftig abgelehnt.