Die desolate wirtschaftliche Situation Ungarns nach dem Ersten
Weltkrieg war durch Energie- und Rohstoff-mangel, durch einen wesentlich verkleinerten
Binnen-markt, unzureichende Infrastruktur, galoppierende Inflation, gravierenden
Lebensmittelmangel, hohe Arbeitslosigkeit (s.
Bild) und die große Zahl von 350.000 (s.
Bild) Flüchtlingen gekennzeichnet. Sie verbesserte sich nur langsam
(s. Bild). Mit Hilfe
ausländischer Kredite konnte die Inflation gestoppt und 1927 eine Währungs-reform
durchgeführt werden.
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre fand ein gemäßigter
industrieller Aufschwung (s.
Bild 1, Bild 2)
statt, in dessen Verlauf neben der Nahrungsmittel-industrie vor allem jene
Industriezweige, wie Textil- und Chemische Industrie erstarkten, die sich
in der Wirtschaftsordnung des Dualismus in Ungarn nicht hatten entwickeln
können. Die Industrieproduktion hatte sich 1929 gegenüber dem Vorkriegsstand
von 1913 lediglich um 12% erhöht. Doch selbst diese schwache Entwicklung
wurde durch die Wirtschaftskrise in den Jahren 1929 bis 1933 wieder elementar
in Frage gestellt. Erst in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre setzte,
nun schon durch den Beginn einer Kriegs-wirtschaft bedingt, eine beschleunigte
Industrialisierung (s. Bild
1, Bild 2) ein.
Der Anteil der Industrie am Nationaleinkommen erreichte 1941 einen Wert von
36%
gegenüber 30% im Jahr 1920. Der landwirtschaftliche Charakter
der Wirtschaftsstruktur Ungarns hatte sich zwar verringert, war aber immer
noch dominierend. Auch das 1920 beschlossene Bodenreformgesetz blieb ohne
größere Auswirkungen, da es von 8,5 Millionen ha lediglich 450.000
ha erfaßte, so daß die Bezugs-berechtigten durchschnittlich weniger
als 1 ha Land erhielten. Zudem war die zu zahlende Entschädigungs-summe
so hoch, daß der größte Teil der Landempfänger gezwungen
war, das neue Land wieder abzugeben. Die Entwicklung der Landwirtschaft (s.
Bild) war in den 1920er Jahren durch Stagnation und Rückgang geprägt.
Die Absatzmärkte waren völlig verlorengegangen, zur Modernisierung
fehlte das Kapital. Der Verfall der Agrarpreise während der Wirtschaftskrise
verschärfte die Agrarkrise. Erst nach der Annäherung an Deutschland
verbesserte sich die Situation im Laufe der 1930er Jahre.
Die freigesetzte Agrarbevölkerung fand keine Arbeits-möglichkeiten
in der Industrie. Auf dem Lande lebte eine Schicht von etwa 3 Millionen Menschen
(s. Bild 1, Bild
2) - ca. ein Drittel der Gesamtbevölkerung Ungarns - in größter
Not als besitzlose Agrarproletarier oder Besitzer von Zwergparzellen. Man
nannte Ungarn auch das Land der "drei Millionen Bettler".