Es ist nicht eindeutig, wann die Ungarn aus dem östlich
des südlichen Urals gelegenen Steppengebiet in das weiter westlich gelegene
Gebiet des heutigen Baschkirien gezogen sind, in das Gebiet, welches in mittelalterlichen
Quellen Magna Hungaria (s.
Bild/ Karte) genannt wird.
Genauso wenig ist bekannt, warum die Ungarn hierher gezogen sind und wie lange
sie hier gelebt haben. Es gibt aber doch mehrere Indizien dafür, daß
sie sich tatsächlich hier aufgehalten haben. Nach Berichten über
angeblich in Magna Hungaria zurückgebliebene Ungarn machte sich der Dominikanermönch
Julianus auf die Suche nach
ihnen und fand sie 1236 in einem in seinem Bericht nur unklar bezeichneten
Gebiet in der Nähe der Wolga (s.
Bild). Des weiteren gibt es in der ungarischen Sprache einige Elemente,
die aus dem permischen Zweig der finnougrischen Sprachfamilie, deren Sprecher
in unmittelbarer Nachbarschaft Baschkiriens siedelten, übernommen worden
sind. Und schließlich sind in diesem Gebiet Totenmasken (s.
Bild) gefunden worden, wie sie auch bei den Obugriern bekannt und in Ungarn
in Gräbern aus der Landnahmezeit ebenfalls nachweisbar sind.
Die nächste, vermutlich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts
n. Chr. erreichte Etappe auf dem Zug der Ungarn in das Karpatenbecken bildete
Levedien (s. Karte), das diesen
Namen nach einem ihrer Stammesfürsten erhalten hatte.
Die genaue Lage des irgendwo zwischen Don und Asowschen Meer
befindlichen Siedlungsgebiets ist unbekannt.
Man weiß jedoch, daß die Ungarn in enger Symbiose mit dem Khanat
der Chasaren lebten, einem Verband von turksprachigen Völkern, dessen
Oberhoheit die Ungarn anerkannten und dessen Territorium das Gebiet der südrussischen
Steppe nördlich des Kaukasus umfaßte. Laut des vom byzantinischen
Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos um 950 verfaßten Werks De administrando
imperio lebten die Ungarn drei Jahre mit den Chasaren zusammen. Das Zusammenleben
muß sich aber über einen wesentlich längeren Zeitraum erstreckt
haben, denn für eine so kurze Zeit sind die nachweisbaren Einflüsse
der Chasaren auf die gesellschaftlich-wirtschaftlichen und auch kulturellen
Strukturen der Ungarn viel zu intensiv. Wirtschaftlich entscheidend war der
in den archäologischen Funden der sog. Saltovo-Kultur nachvollziehbare
Prozeß der Seßhaftwerdung, das Nebeneinander von Nomadentum und
Seminomadentum. Dieser Prozeß läßt sich auch linguistisch
nachweisen: Im Ungarischen gibt es eine Lehnwortschicht aus dieser Periode,
die mehr als 200 Worte umfaßt und zu einem großen Teil als Indikator
der Seßhaftwerdung angesehen werden kann.