Ausgangspunkt der klassischen, in der Tradition der finnougrischen Sprachwissenschaft stehenden Theorie über die Vor- und Frühgeschichte der Finnen ist vornehmlich das Corpus der heutigen, bzw. der schriftlich belegten Vorstufen finnougrischer Sprachen. Mit den Methoden der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft werden Stadien des früheren Zusammenlebens der heutigen Völkerschaften rekonstruiert. Bereits bei dem Versuch, die sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse mit denen anderer Wissenschaftszweige zu vereinbaren, stoßen die Fachleute auf Schwierigkeiten. Denn die Zahl der historischen Quellen über die finnougrischen Völker ist zu gering, um ein klares Szenario mit eindeutiger Chronologie aufstellen zu können. Auch werden die Ergebnisse archäologischer Forschungen dadurch relativiert, daß die Grenzen der materiellen Kultur nicht mit Sprachgrenzen gleichgesetzt werden können. Selbst innerhalb der linguistisch orientierten Theorien gibt es betreffend der einzelnen Phasen der ethnischen Geschichte der Finnen Abweichungen in der Chronologisierung von bis zu einem Jahrtausend.
Erst recht wächst die Kluft zwischen den einzelnen Theorien, wenn man nicht die Sprache, sondern archäologische Funde oder die genetische Karte als Ausgangspunkt der Forschungen ansetzt. Die seit Anfang der 1990er Jahren neu entfachte Debatte über die Herkunft der Finnen zeigt, welche politische Bedeutung dem Thema bei der neuen, europäischen Identitätsfindung der Finnen beigemessen wird. Immer mehr Anhänger findet - auch aus akademischen Reihen - die die Kontinuität des finnischen Siedlungsgebiets betonende Theorie. Deswegen ist es erforderlich, auf beide Auffassungen einzugehen.