Zur Anwendung der Methoden der Graphischen Datenverarbeitung
Das Einscannen von historischen Karten stellt eine relativ einfache und daher
eine weit verbreitete Methode zur Gewinnung von digitalen historischen Karten dar. Die auf diese
Weise gewonnenen Rasterdateien bewahren bei einer hohen Auflösung sämtliche wesentliche
Quelleneigenschaften der historischen Karten. So können die traditionellen Medien, wie Dias und
Folien, in den Vorlesungen zur Kartographiegeschichte, die seit 1993 in einem Computerpool
durchgeführt werden, weitgehend durch digitale Rasterdateien ersetzt werden. Ein wesentlicher
Vorteil dieser Verfahrensweise besteht darin, daß die historischen Karten am Monitor in viel
kleinerem Betrachtungsabstand erscheinen als bei der Projektion von Dias und Folien. Außerdem
können die in der Lehrveranstaltung besprochenen Details in Vergrößerung betrachtet werden.
Außer diesen didaktischen Möglichkeiten bringen die "rohen" (d. h. die eingescannten, aber
digital nicht weiter verarbeiteten) Rasterdateien kaum etwas grundsätzlich Neues gegenüber den
traditionellen Repräsentationsmedien. Für die kartographiehistorische Forschung ist jedoch
bedeutend, daß auf der Grundlage solcher Rasterdateien kartographiehistorische Datenbänke
aufbauen lassen. Auf diese Möglichkeit werden wir später noch zurückkommen.
Die Rasterdateien lassen sich in unterschiedlichen Graphikformaten abspeichern Anmerkung 1 , die unterschiedlichen Speicherbedarf
aufweisen. Ein sehr zuverlässiges und außerdem plattformübergreifendes und demzufolge sehr
verbreitetes Graphikformat ist das TIFF-Format (Tag Image File Format), das für die digitale
Erfassung von historischen Karten gut geeignet ist. Der Nachteil des TIFF-Formats besteht in
dem besonders hohen Speicherbedarf. TIFF-Dateien lassen sich zwar mit unterschiedlichen
Kompressionsverfahren komprimieren, aber dadurch wird ihre Plattformunabhängigkeit
eingeschränkt. Für umfangreiche Rasterdatei-Kollektionen empfiehlt sich die Anwendung von
Graphikformaten, wie z. B. das GIF-Format (Graphics Interchange Format), das JPEG-Format
(Joint Photographic Experts) oder das PNG-Format (Portable Network Graphics)Anmerkung 2 , die bei der Bewahrung der
Plattformunabhängigkeit meist nur einen Bruchteil des Speicherbedarfs des unkomprimierten
TIFF-Formats beanspruchen. Die Anwendung des optimalen Graphikformats ist eine wesentliche
Voraussetzung für den Aufbau von effektiven kartographiehistorischen Datenbänken. Es gibt
noch weitere Möglichkeiten zu der Minimierung des Speicherbedarfs von Rasterdateien. So
können z. B. viele historischen Karten (unkolorierte Holzschnitt- oder Kupferstichkarten) ohne
Informationsverlust mit relativ geringem Speicherbedarf einscannen, wenn man sie als
Strichdateien einscannt. Die Verminderung der Auflösung kann den Speicherbedarf ebenfalls in
erheblichem Maße vermindern. Die den wenigsten Speicherbedarf benötigende
Bildschirmauflösung von 75 dpi ist jedoch nur dann zu empfehlen, wenn auf eine vergrößerte
Wiedergabe der historischen Karten verzichtet werden kann. Die Festlegung des
Auflösungsgrades ist ein Optimierungsverfahren, wobei nicht nur der Verwendungszweck
berücksichtigt wird, sondern auch die Verwendungsform, einschließlich der Hard- und
Softwareinfrastruktur.
Die digitale Bildbearbeitung bietet für die historische Kartographie eine Reihe weiterer
Einsatzmöglichkeiten. Bildbearbeitungsprogramme, wie z.B. Aldus Photoshop, Corel-PhotoPaint
und Micrografx Picture Publisher, liefern zahlreiche Effektfilter, mit deren Hilfe eine
automatische, interaktiv gesteuerte Bildbearbeitung vorgenommen werden kann. So können
beispielsweise blasse Zeichnungen in lesbarerer Form abgebildet werden, als in der überlieferter
Form. Störende Elemente, die im Original ursprünglich nicht vorhanden waren, wie
Schmutzflecken, Faltstellen, können aus der Karte entfernt werden.
Mit Hilfe der digitalen Bildbearbeitung lassen sich einzelne Elemente der historischen Karte von
einander trennen. Den selektierten Rasterdateien können beliebige Farben zugeordnet werden.
Die bearbeiteten einzelnen Rasterdateien können wieder zu einer Gesamtkarte zusammengefügt
werden. Auf diese Weise läßt sich erreichen, daß in einer ursprünglich einfarbigen Karte die
einzelnen Elemente farbig erscheinen, z. B. Hydrographie im Blau, Wald im Grün, Grenzen im
Rot. Mit dieser Form der digitalen Bildbearbeitung entfernt man sich zwar von der Karte als
historischen Quelle, aber mit ihrer Hilfe können für schwer lesbare historischen Karten wesentlich
bessere Interpretationsmöglichkeiten geschaffen werden. Mit dieser Methode wurde z. B. die
erste Karte Mecklenburgs von Tilemann Stella (1552), die in einer blasser, schwer lesbarer Kopie
überliefert ist, in eine gut lesbare Form umgewandelt. Anmerkung 3
Die digitale Bildbearbeitung liefert für die Interpretation von historischen Karten als historische
Quellen eine weitere sehr bedeutsame Methode. Mit speziellen Rasterbearbeitungsprogrammen,
wie z. B. ERDAS Anmerkung 4 ,
können die Rasterdateien von historischen Karten entzerrt werden und in die geometrische
Struktur von aktuellen Karten eingepaßt werden. Die Transformation erfolgt anhand von
Paßpunkten. Als Paßpunkte eignen sich solche Kartenobjekte, deren Lage bis in die Gegenwart
unverändert blieb, so z. B. Kirchen. Die Lage der zwischen den einzelnen Paßpunkten liegenden
Rasterpunkten wird automatisch neu berechnet. Die transformierten historischen Karten, in denen
die Lagebeziehungen weitgehend exakt wiedergegeben werden, besitzen sowohl für die
historische Kartographie als auch für die historische Geographie eine große Bedeutung, da sie
eine völlig neue Form der Quelleninterpretation ermöglichen. Die traditionellen Formen des
Kartenvergleichs Anmerkung 5
können durch diese Verfahrensweise effektiver durchgeführt werden. Die Entwicklung von
Raumstrukturen können beispielsweise anhand von transformierten historischen Karten
zuverlässiger und mit geringerem zeitlichen Aufwand erarbeitet werden. Transformierte
historische Karten bilden weiterhin eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung von
raumbezogenen historischen Informationssystemen.