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Datum/Text
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14. August 1968 |
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1812, 32 |
14. August, 1968 – Es ist der 12. Todestag Bertolt Brechts, an dem erzählt wird, wie im
Unterrricht Brechts propagandistische Gedichte »Die Erziehung der Hirse« und der »Herrnburger
Bericht« besprochen werden. Der gleiche Tageseintrag berichtet aber auch von der von Wilhelm
Girnus eingeleiteten Kampagne gegen Formalismus, gegen dessen engstirnige Kulturpolitik Brecht
protestiert hatte.
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1812, 33- 1813, 6 |
In die Bank ... Fache der Bankräuberei - Vgl. den Artikel »2 Bank Suspects Find
Cabs Scarce« der NYT vom 14. 8. 1968: »Two bumbling bank robbery suspects
were arrested yesterday after they failed to halt taxicabs during the
morning rush hour on Park Avenue.
The pair - one armed with a pistol, the other with a machete or meat cleaver
- held up the Union Dime Savings Bank at Park Avenue and 50th Street
and then tried twice to hail a cab to make their getaway, the police said.
Twice, bank employes who were following them shouted to the drivers: It’s
a stickup. Don’t take them. And the cabs sped away. [...]
The pair entered the bank at about 9:05 A.M., a few minutes after it opened.
They were dressed neither very well nor very badly - about what a police
lieutenant would wear, Police Lieut. Dominick Sacco said later at the 17th
Precinct station, where the captives were brought. [...]
The police said that Varuches [der Bankräuber mit der Pistole] had been released
in June from Sing Sing, where he had been serving time for another
bank robbery.«
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1812, 33 |
Bank Union Dime Savings - s.K. 371, 11.
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1813, 5 |
Sing Sing - s.K. 243, 14.
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1813, 7-11 |
Der ostdeutsche Sachwalter ... für siebenundzwanzig Stunden - Vgl. den Artikel
»Ulbricht Setback In Dubcek Parley Is Seen By Czechs« der NYT vom 14.8.1968:
»Czechoslovak Communist sources said today Ulbricht’s meeting with
Alexander Dubcek [...] had brought entirely negative results for the visiting
East German party chief.
Mr. Ulbricht and his delegation left today Karlovy Vary, the site of the
conference.«
Unter der Überschrift »Offer to Bonn Noted« heißt es am selben Tag: »On
his return to Berlin a few hours later, the East German leader maintained silence
about his 27-hour visit to Czechoslovakia.«
Sachwalter: s.K. 993, 8;
1138, 30;
Karlovy Vary: s.K. 1200, 6.
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1813, 12-21 |
Die Bürger der ... Arbeiten sich lohnt - Vgl. den Artikel »Prague Appeals For
Harder Work« der NYT vom 14.8.1968: »Czechoslovaks are voluntarily
donating gold and money to the Communist party to strengthen it in its
struggle for liberalization, but the regime wants people to work harder and
more efficiently. [...]
So far, 40 pounds of gold and the equivalent of nearly $20-million have been
given to the fund. But there are few signs yet that Czechoslovak workers are
shortening their frequent breaks for coffee or beer or have begun the drive to
raise output, cut waste and improve the quality of products. Some of them ask,
in effect, why they should be better. [...]
Machinery in our factories is obsolete, Vaclav Kosvann, a Prague mechanical
worker, has just written in a letter to Prace, the labor newspaper. Young
workers must wait for 10 years to get an apartment, and still have to pay
40,000 crowns. The money, the equivalent of $2,500, goes to housing cooperatives.«
Als Ausnahme unter den industriellen Ländern wies die Tschechoslowakei
in jenen Jahren eine negative Wachstumsrate auf.
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1813, 17 |
Prace - (tschech.) richtig: Práce: Arbeit; s.K. 1446, 16-18.
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1813, 26 |
bückichten - (nd.) gebückt; s.K. 81, 8.
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1813, 29 |
Famulus - (lat.) Schüler.
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1813, 35f. |
Marcus Tullius Cicero ... Korruption im Staat - Cicero vertrat im Prozeß gegen
Verres, der als Proprätor Siziliens widerrechtlich beträchtliche Gelder und
Kunstschätze angehäuft hatte, erfolgreich die Anklage. Seine veröffentlichten
Plädoyers führten 70 v.Chr. zur Lex Aurelia, nach der die Richtergewalt fast
ausschließlich den Bürgern übertragen wurde; s.K. 1634, 34.
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1814, 7f. |
Schelfkirche zu Schwerin - 1705 wurde auf der Schelfe (flache Insel) mit dem
Bau einer Neustadt begonnen, deren Marktplatz die Kirche St. Nikolai, meist
Schelfkirche genannt, dominiert. 1708-13 von Jakob Reutz und Christoph
Leonhard Sturm erbaut; sie gilt als die bedeutendste Barockkirche Mecklenburgs.
In der Gruft befinden sich die Grabstätten der herzoglichen Familie.
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1814, 8f. |
ablativus absolutus - (lat.) Partizipialkonstruktion im Ablativ, einem konjunktionalen
Nebensatz mit eigenem Subjekt gleichwertig.
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1814, 14f. |
Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1951 - Zu den III. »Weltfestspielen der
Jugend und Studenten für den Frieden« vom 5.-19.8.1951 in Ostberlin
kamen Delegationen aus allen soz. Ländern und komm. Gruppen aus der
ganzen Welt zu Massenveranstaltungen und Demonstrationen zusammen;
s. 1819, 20.
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1814, 18 |
Th. Dreisers »Sister Carrie« - Theodore Herman Albert Dreiser (27.8.1871-28.12.1945),
amerik. naturalistischer Schriftsteller; kam aus einfachen
Verhältnissen, lebte 1895-1938 in New York und trat 1945 der Komm. Partei
bei. Sein Roman »Sister Carrie«, 1900, erzählt die Geschichte eines
Mädchens vom Land, das in Chicago schwer Fuß faßt, einen Geschäftsmann
kennenlernt, der Geld entwendet und mit ihr nach New York flieht. Ehrgeizig
und unzufrieden mit ihrer Existenz als Fabrikmädchen, ist sie bereit, sich
anzupassen. Während ihr Freund mehr und mehr absteigt, beginnt ihr
Aufstieg als Star einer Revue. Der Roman führte wegen der trotz ihrer Amoralität
erfolgreichen Protagonistin zu einer öffentlichen Auseinandersetzung
und wurde von seinem Verleger Frank Doubleday (s.K. 611, 33f.) unterdrückt, was bei Dreiser einen Nervenzusammenbruch verursachte.
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1814, 18f. |
conductor statt des ... für den Schaffner - »Conductor« ist im amerik. Engl. sowohl ein »Zugschaffner«, wie auch ein »Dirigent«, im brit. Engl. bedeutete es nur »Dirigent«, während ein »guard« in England ein »Zugschaffner« ist.
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1814, 23 |
des freien deutschen Jungen - s.K. 1559, 13f.
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1814, 24 |
aus der verlorenen Heimat - Pommern: s.K. 235, 5; s. 1722, 10-14.
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1814, 26f. |
von der Einheitspartei ... werden als Kandidat - s.K. 1649, 4.
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1814, 36-39 |
Stalins Versuch »Über ... Also muß ... Ferner ... - »Über dialektischen und historischen
Materialismus« ist Teil des IV. Kapitels »1908-1921« der »Geschichte
der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki). Kurzer
Lehrgang«, unter Redaktion einer Kommission des Zentralkomitees der
KPdSU (B), Berlin 1946, S. 126-160. Dem Autorenkollektiv, darunter Knorin
(vor Beendigung verhaftet), Pospelew und Jaroslawski, lag ein von Stalin
vorgegebenes Schema zur Periodisierung der Parteigeschichte vor, das sie als
eine Folge innerparteilicher Kämpfe darstellte. Stalin redigierte den »Lehrgang«
mehrfach. Der von ihm geschriebene Aufsatz Ȇber dialektischen und
historischen Materialismus« vom September 1938 soll den Zusammenhang
zwischen der Philosophie des Marxismus-Leninismus und der praktischen revolutionären
Tätigkeit der bolschewistischen Partei nachweisen. Er zeigt auch
Stalins typische Stilmerkmale wie schlichte, leicht verständliche Sprache,
rhetorische Fragen, der Einprägsamkeit dienende Formelhaftigkeit und insbesondere
die Anwendung logischer Formen des Schließens für Postulate, die
statt aus wissenschaftlich überprüfbaren Voraussetzungen aus Überzeugungen
abgeleitet sind. Die von Johnson zitierten Einleitungen sind zuhauf auffindbar.
Der »Kurze Lehrgang« war bis 1954 als einziges offizielles Lehrbuch zur
Parteigeschichte Pflichtlektüre, mit 43 Mio. Exemplaren wurde es zum meistverkauften
Buch nach der Bibel; s.K. 76, 33f.;
463, 30f.; s. 1354, 29f.;
Stalin: s.K. 63, 10.
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1815, 1f. |
»Marxismus und Fragen der Sprachwissenschaft« - s.K. 1659, 6-11.
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1815, 2 |
Was slushaju - (russ.) Ich höre und gehorche; s.K. 1678, 36.
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1815, 3f. |
Kiew oder Minsk - s.K. 139, 33 und 1332, 29.
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1815, 7f. |
die Schülerin Cresspahl es zufrieden war - s.K. 124, 17.
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1815, 13 |
dumm Tüch - (nd.) dummes Zeug; s.K. 299, 13.
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1815, 14-17 |
das Lied vom ... ruhig schlafen dürfen - Anspielung auf die 7. und letzte Strophe
von »Der Mond ist aufgegangen« von Matthias Claudius, 1778, Melodie: Johann
Abraham Peter Schulz, 1790:
So legt euch denn ihr Brüder
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
Und laß uns ruhig schlafen,
Und unsern kranken Nachbarn auch.
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1815, 24 |
Paderewsky - Ignacy Jan Paderewsky (18.11.1860-29.6.1941), poln. Pianist,
Komponist und Politiker; zog 1913 in die USA; 1919 Ministerpräsident und
Außenminister Polens, 1919-21 poln. Vertreter bei der Pariser Konferenz
und beim Völkerbund; 1940/41 Vorsitzender des Exilparlaments. Von Tschaikowskij
beeinflußt, komponierte er außer zwei Opern vor allem Klaviermusik.
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1815, 24f. |
Toscanini - Arturo Toscanini (25.3.1867-16.1.1957), ital. Dirigent; Direktor
der Mailänder Scala, 1908-15 der Metropolitan Opera, bekannt für die Werktreue
seiner Interpretationen von Verdi und Wagner.
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1815, 25 |
Strawinsky - Igor Fjodorowitsch Strawinskij (17.6.1882-6.4.1971), russ.
Komponist; lebte in der Schweiz, Frankreich, seit 1939 in den USA und seit
1945 US-amerik. Bürger; Schüler Rimskij-Korsakows; objektivierende, antiromantische
Tonsprache, Einflüsse des Jazz, in der Altersperiode Zuwendung
zur Reihentechnik Anton von Weberns; Ballettmusiken, Opern, Klavier- und
Orchesterwerke.
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1815, 38- 1816, 6 |
Wenn man bedenkt ... mirs:/(»Heinrich Heine«) - Volksmund, nach in Form und
Inhalt ähnlichen Versen Heines.
Heinrich Heine (13.12.1797-17.2.1856), dt. Dichter. An folgenden Stellen
wird aus Heines Werken zitiert oder auf sie angespielt: »Lutezia« (s.K. 1374, 2-18);
»Lyrisches Intermezzo« (s.K. 1552, 7-10); »Belsazar« (s.K. 1834, 1);
»Deutschland, ein Wintermärchen« und »Reisebilder. Das Buch Le Grand«
(s.K. 1872, 10); s.K. 1872, 11f.
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1816, 8 |
Osmose - s.K. 1662, 10.
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1816, 11-13 |
das Märchen auf ... Kindern von 1937 - s. 857, 35f.
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1816, 14-36 |
Ob es ihm ... Lyssenko-Beete, junge Frau - Vgl. den Brief Johnsons vom 9.5.1974 an Hannah Arendt: »Was Elisabeth angeht [...] Gerade in dieser Stunde ist sie in der Amerika Gedenk-Bibliothek und verlängert mir Medwedjews Buch über Lyssenko. Denn Lyssenko und seine Auswirkungen auf die Oberschulen Ostdeutschlands, das steht mir gerade bevor, und wenn ich das gemacht habe, schreibt sie es mir in Reine.« Arendt (2004), S. 125f.
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1816, 15f. |
Trofim Denissowitsch Lyssenko - 29.9.1898-20.11.1976, russ. Biologe; trat
1928 erstmals mit Thesen zur Ertragssteigerung von Getreide auf, entwickelte
die Jarowisation (Keimstimmung), stützte sich auf Mitschurins (s.K. 1612, 36)
Ergebnisse und erklärte die Entstehung neuer Erbeigenschaften als
durch die Umwelt gesteuert. Damit fügte sich seine Lehre nahtlos in den dialektischen Materialismus ein, der keine Zufälle wie die von der westlichen
Biologie gelehrten spontanen Mutationen anerkannte. Er zögerte nicht, seine
wissenschaftlichen Kritiker als »Schädlinge« darzustellen und den international anerkannten Genetiker N.I. Wawilow (1887-1943) zu verleumden.
Dieser wurde 1940 als angeblicher brit. Spion zum Tode verurteilt, seinen
Platz als Präsident der Landwirtschaftsakademie übernahm Lyssenko. In der
Schdanow-Ära wurden seine Theorien als verbindlich für die sowj. Biologie
erklärt. Er wurde von Stalin und anfangs von Chruschtschow gefördert, obwohl
oft die Erfolge in der Praxis ausblieben. Erst nach 1964 setzte sich in der
Sowjetunion die Erkenntnis durch, daß er der sowj. Genetik und Biologie
großen Schaden zugefügt hatte. Ironischerweise wurde später in der westlichen
Genetik entdeckt, daß bei den Erbvorgängen nicht nur der Zellkern,
sondern auch das Plasma eine Rolle spielt und daß im letzteren durch Umwelteinflüsse
erworbene Eigenschaften vererbt werden können; vgl. BU, S. 39; vgl. Torke (1993).
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1816, 18 |
Universität Heidelberg - Älteste Universität Deutschlands, von Ruprecht I.
1386 eröffnet; 1556 in eine ev. Landeshochschule umgewandelt; galt in der
Weimarer Republik als Stätte des demokratischen Geistes; später wurden dort
radikale nationale Positionen vertreten.
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1816, 22f. |
Saatzuchtgut - Von den drei Saatzuchtgütern der DDR lag nur das ehemalige
Rittergut Groß Lüsewitz in Mecklenburg. Es wurde nach der Enteignung der
Familie Thyssen Volkseigenes Gut und seit 1949 Institut für Pflanzenzüchtung,
spezialisiert auf Kartoffeln, Ölpflanzen und Gräser- und Kleearten.
Begründer und Leiter war Prof. Dr. Schick, Nationalpreisträger. Über Groß
Lüsewitz heißt es bei Bernitt (1954), S. 362: »Die gesamte Arbeit, die auf den
Ergebnissen der modernen naturwissenschaftlichen Forschung, nicht zum
wenigsten der sowjetischen, beruht, muß mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit
ausgeführt werden.«
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1816, 23f. |
Mitschurin - s.K. 1612, 36.
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1816, 26 |
Träger des Nationalpreises - s.K. 1683, 16.
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1816, 33 |
somatischem - Körperlich, den Körper betreffend; s. 1854, 2.
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1817, 4 |
Bonitierung - Beobachtung und Beurteilung von Einzelpflanzen als Grundlage
für die Auslese zur Züchtung neuer Sorten.
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1817, 8 |
Brabbeln - (nd.) Murmeln; s.K. 569, 25.
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1817, 18f. |
Zuordnungsvorschrift Funktion - Im Mathematikunterricht der DDR-Schulen
wurde für begrenzte Zeit der Begriff Funktion durch Zuordnungsvorschrift
ersetzt, als die Eulersche Definition »Eine Funktion ist eine veränderliche
Größe, die von einer anderen veränderlichen Größe abhängt« durch eine
neue ersetzt wurde: »Nicht die Abgängigkeit der Größe ist der wesentliche
Inhalt des Funktionsbegriffes, sondern die Tatsache der Zuordnung selbst, auf
Grund deren bestimmte Objekte bestimmten anderen Objekten als zugehörig
erklärt werden«; vgl. Gellert/Küstner/Hellwich (1971).
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1817, 22f. |
die annern habn ... getrunkn; es gipt - (missingsch) die andern haben ja immer
getrunken; es gibt ...
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1817, 31 |
Rassenschande - s.K. 920, 22.
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1817, 33f. |
privat anmutende Photographien ... General der S.S. - Jürgen Stroop (26.9.1895-8.9.1951,
hingerichtet), SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei
im Distrikt Warschau, beauftragt mit der Niederschlagung des Aufstandes
im Warschauer Ghetto im April und Mai 1943, zerstörte das Viertel und ließ
alle Bewohner deportieren oder töten. Seine täglichen Lageberichte und die
Fotos von der Liquidierung ließ Stroop als Geschenk für Himmler binden,
der Bericht wurde in dreifacher Ausführung angefertigt und trägt die Aufschrift:
»Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr«. Der erste
Teil enthält Tagesrapporte und eine Sammlung von Fotos, der zweite 31 Abschriften
detaillierter Meldungen vom 20.4. bis 16.5.1943, der letzte Teil
nochmals 54 Fotos. Johnson besaß die Faksimile-Wiedergabe: Es gibt keinen
jüdischen Wohnbezirk (1960); vgl. Schnabel (1957), S. 432-440.
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1817, 34 |
Heinrich Himmler - s.K. 391, 6.
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1818, 4 |
Präsident der Sowjetunion - Stalins wichtigste Funktion war die Parteileitung,
der Titel »Generalsekretär der KPdSU« wurde 1922 eigens für ihn geschaffen.
Seit 1941 war er Vorsitzender des Amts der Volkskommissare, seit 1945
umbenannt in Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR. 1945 erhielt er
den Ehrentitel »Generalissimus« der Roten Armee. Die Amtsbezeichnung
Präsident impliziert einen demokratisch gewählten Vorsitzenden einer Körperschaft,
bzw. im Staatsrecht das Staatsoberhaupt einer Republik; s.K. 63, 10.
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1818, 10-22 u. 34-37 |
»Die Erziehung der ... was sie stört - Gedicht von Bertolt Brecht (s.K. 211, 33),
das zuerst unter dem Titel »Tschaganak Bersijew oder Die Erziehung der Hirse«
in Heft 5/1950 der Zeitschrift »Sinn und Form« veröffentlicht wurde;
1951 erschien im Aufbau-Verlag das Buch mit dem Titel »Die Erziehung der
Hirse«. Das Gedicht trägt den Vermerk »Nach dem Bericht von G. Fisch Der
Mann, der das Unmögliche wahrgemacht hat«, ein Kapitel aus Gennadi
Fischs Buch »Die Volksakademie«, Moskau 1949. Diesem Buch ist auch das
Motto entnommen, ein Zitat Mitschurins über das Wesen des Kolchosbauern.
Im Buch wird geschildert, wie im Auftrag von Stalin (s.K. 63, 10) und
unter Leitung von Lyssenko die Erträge der Hirse gesteigert
werden.
Die Verse 1818, 36f. sind der Anfang, die Verse 1818, 12-22 stammen aus dem
Mittelteil des 52strophigen Gedichts. In vier- und achtzeiligen Strophen wird
von dem kasachischen Nomaden Bersijew erzählt, der, seßhaft geworden,
mühsam Hirse anbaut. Als 50jähriger tritt er dem Kolchos bei, erbittet und
erhält von der Sowjetmacht eine Pumpe zur Bewässerung, die er im Gegensatz
zu anderen nur bei wirklichem Bedarf einsetzt: »So wie die Erde ist/Muß
die Erde nicht bleiben./Sie anzutreiben/Forscht, bis ihr wißt!«. Durch Auslese
des Saatguts erhöht er den Ertrag. Anlaß für Stalins Einmischung in die
Belange der Hirse ist die große Dürre 1939, er schickt Agronomen aufs Land,
um die Bauern über spezielle Anbaubedingungen zu informieren und sie zum
Wettbewerb aufzufordern. Bersijew denkt über weitere Verbesserungen nach:
»Träume! Goldnes Wenn!/Sieh die schöne Flut der Ähren steigen/Säer,
nenn/Was du morgen schaffst, schon heut dein eigen!«. Als es ihm gelingt,
die Ernte von 25 auf 87dz pro ha zu steigern, wird ihm der Leninorden verliehen.
Die Notwendigkeit, die Rote Armee während des Krieges gegen Hitler
zu ernähren, spornt Bersijew und die Hirse zu einem Rekordergebnis von
201dz an.
Brechts Gedicht wurde von Paul Dessau 1952 vertont. Brecht legte Wert darauf,
daß die Musik Kindern »Spaß mache«; das Gedicht wurde als Beitrag zum
Aufbau des Sozialismus gewürdigt und in den Schulunterricht übernommen.
Einzelne Verse waren in der DDR sprichwörtlich bekannt.
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1818, 30f. |
Milieu-Theorien von Marx’ Zeitgenossen - Nach den Milieutheorien hängt die
Entwicklung des einzelnen von der Erziehung und den äußeren Umständen
ab, wobei unter Milieu die natürliche wie auch die soziale Umgebung verstanden
wurde. In der marxistischen Philosophie wurden sie als Vorläufer des
marxistischen Humanismus interpretiert, allerdings habe erst der Marxismus
die metaphysische Gegenüberstellung von Mensch und Umwelt überwunden,
da der Mensch im Prozeß der Veränderung der Umwelt sich selbst verändere.
Die bekanntesten Vertreter der Milieutheorien wie Montesquieu,
Buckle, Helvétius und Holbach sind keine Zeitgenossen von Marx. Der
frz. Philosoph und Historiker Hippolyte Taine (21.4.1828-5.3.1893) entwickelte
eine Milieutheorie mit den bestimmenden Faktoren Rasse, Umgebung,
Zeitumstände, aus denen er jede Einzelerscheinung ableitete.
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1818, 31-33 |
des Terminus Soziologie ... Ausdruck imperialistischer Afterwissenschaft - Da die
marxistische Philosophie für sich beanspruchte, alle gesellschaftlichen Fragen
zu erklären und zu lösen, konnte daneben keine andere Gesellschaftswissenschaft
anerkannt werden.
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1819, 2 |
»Herrnburger Bericht« - Text: Bertolt Brecht; Musik: Paul Dessau; am 5.8.1951
bei den III. Weltfestspielen in Ostberlin unter der Regie von Egon Monk uraufgeführt;
s.K. 1819, 12-19;
1819, 24-29.
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1819, 2-11 |
an den Empfang ... oder »In Ordnung« - Vgl. DER SPIEGEL vom 8.6.1950:
»Freundschaft siegt sangen die vom Berliner FDJ-Treffen heimkehrenden
Blauhemd-Kolonnen beim Anmarsch auf die Zonengrenzstation von Lübeck-
Herrnburg. Die Schupokette riß unter dem ersten Druck der Heimkehrer.
Aber Schlagbaum und quergestellte Autos blockierten die Straße.
Weil die Jugendlichen auf Stroh transportiert wurden und darauf übernachteten,
hatte Schleswig-Holsteins Innenminister Käber Sperrung, ärztliche
Untersuchung und Registrierung von Vor- und Zuname, Wohnort, Straße,
Geburtsdatum und -ort, Beruf und Arbeitsplatz angeordnet. Zur Untersuchung
von zehntausend jungen Marschierern standen fünf gesundheitsamtlich
beorderte Ärzte bereit. [...] Als es bei Querfeldeindurchbrüchen zum
Einsatz von Gummiknüppeln und Wimpelspeer gekommen war, brachte
Hamburg eine gegen Steinwürfe vergitterte und auf eine grüne Minna montierte
Wasserkanone als Verstärkung an. Mit vier Atü Höchstdruck hätte sie
längstens neun Minuten spritzen können. Sie wurde deshalb nicht eingesetzt.
580 Beamte hielten die Demonstranten ohne Wasser in Schach. Nach anderthalb
Nächten Biwak kapitulierten die Blauhemden vor Nässe und Kälte
und ließen sich Erledigt oder In Ordnung in den Ausweis stempeln«; s.K. 1660, 7-21.
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1819, 3 |
Deutschlandtreffens - s.K. 1658, 2-12.
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1819, 5 |
Schupo - s.K. 1398, 26.
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1819, 12-19 |
sie hätten die ... du unser Land - Die zitierten Zeilen bilden den Refrain des
»Spottliedes« aus dem »Herrnburger Bericht«, auf das die Behauptung über
das Aufpflanzen der Fahne folgt:
Spottlied
Hoch zu Bonn am Rheine sitzen zwei kleine
Böse alte Männer, die die Welt nicht mehr verstehn.
Zwei böse Greise, listig und leise
Möchten gern das Rad der Zeit nochmals nach rückwärts drehn.
Schuhmacher, Schuhmacher, dein Schuh ist zu klein
In den kommt ja Deutschland gar nicht hinein.
Adenauer, Adenauer, zeig deine Hand
Um dreißig Silberlinge verkaufst du unser Land.
Hoch zu Bonn am Rheine träumen zwei kleine
Böse alte Männer einen Traum von Blut und Stahl
Zwei böse Greise, listig und leise
Kochten gern ihr Süpplein am Weltbrand noch einmal.
Schuhmacher, Schuhmacher, dein Schuh ist zu klein
In den kommt ja Deutschland gar nicht hinein.
Adenauer, Adenauer, zeig deine Hand
Um dreißig Silberlinge verkaufst du unser Land.
Donnerstag früh um sechs Uhr zogen die Zehntausend durch Lübeck. Sie
sangen laut ihre Lieder und pflanzten ihre FDJ-Fahne auf das Dach des Bahnhofsgebäudes.
Sie hatten gesiegt.
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1819, 16 |
Schuhmacher - Kurt Schumacher [sic] (13.10.1895-20.8.1952), Nationalökonom,
Politiker; seit 1918 Mitglied der SPD, 1930-33 Reichstagsabgeordneter,
1933-44 in mehreren KZ inhaftiert, nach 1945 Vorsitzender der SPD,
widersetzte sich strikt der Zusammenarbeit mit der KPD; Gegner Adenauers,
da er für einen einheitlichen Nationalstaat und gegen einen westlichen Teilstaat
eintrat; SPD: s.K. 170, 10.
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1819, 18 |
Adenauer - s.K. 116, 12f.
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1819, 19 |
dreißig Silberlinge - Anspielung auf den Lohn des Judas für seinen Verrat von
Jesu Aufenthaltsort an die Hohen Priester; vgl. Matth 26, 14-27, 6. Brecht
spielt damit auf Adenauers Politik der Westintegration an; s. 1870, 10f.
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1819, 23 |
awful - (engl.) fürchterlich.
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1819, 24-29 |
Deutsche wurden von ... tanzen/Drüber hinweg - Der »Herrnburger Bericht«
beginnt mit dem Rezitativ
Deutsche
wurden von Deutschen
gefangen
weil sie von Deutschland
nach Deutschland
gegangen.
Daran angeschlossen steht bei Johnson der Refrain des »Tanzliedes« aus dem
»Herrnburger Bericht«:
Tanzlied
Es läuft irgendwo eine Grenze.
Und sie läuft durch Flur und Wald
Und sie muß ja wohl mitten in Deutschland sein.
Denn da steht das deutsche Wort »Halt«.
Schlagbaum und Schanzen.
Hat das denn Zweck?
Seht doch, wir tanzen
Drüber hinweg.
Kühn gingen wir über die Grenze
In der Nacht, durch Sumpf und Watt
Und wohin wir auch kamen des Morgens früh
Wurde blau das Dorf und die Stadt.
Schlagbaum und Schanzen.
Hat das denn Zweck?
Seht doch, wir tanzen
Drüber hinweg.
Und was ihr auch anstellt, der Himmel
Ist blau über Schanze und Verhau
Und die Fahne, die hüben und drüben weht
Die Fahne der Jugend ist blau.
Schlagbaum und Schanzen.
Hat das denn Zweck?
Seht doch, wir tanzen
Drüber hinweg.
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1819, 38 |
Nationalpreis - Am 7.10.1951, dem Staatsfeiertag der DDR, wurde Brecht mit
dem Nationalpreis 1. Klasse ausgezeichnet; s.K. 1683, 16.
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1820, 1 |
»Hundert Gedichte« - In der DDR erschien eine von Wieland Herzfelde zusammengestellte
Auswahl von Brechts Gedichten unter dem Titel »Hundert
Gedichte. 1918-1950« erstmals 1951 im Ostberliner Aufbau-Verlag.
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1820, 3f. |
Wer ein Exemplar ... mit dem Schutzumschlag - Die Ausgabe von Brechts »Hundert
Gedichte« ist in der 1. und 3. Auflage mit einem einfachen grauen
Schutzumschlag erschienen; die 2. und alle Auflagen ab der 4. tragen auf dem
Titelblatt das Bild eines chinesischen Teewurzellöwen. Auf der hinteren
Umschlagseite ist Brechts dazugehöriges Gedicht abgedruckt:
AUF EINEN CHINESISCHEN THEEWURZELLÖWEN
Die Schlechten fürchten deine Klaue.
Die Guten freuen sich deiner Grazie.
Derlei
Hörte ich gern
Von meinem Vers
Dem Text ist folgende Anm. nachgestellt: »Figur aus den Wurzeln des Theestrauches,
im alten China als Glückstier betrachtet und um so höher bewertet,
je weniger Schnitzarbeit sie aufwies.« - Beide Umschlagvarianten tragen
die Kennzeichnung: »Ausstattung Brüder Heartfield Herzfelde«.
Unter den zahlreichen Gedichtbänden von Brecht in Johnsons Bibliothek ist
keine Ausgabe der »Hundert Gedichte«, es handelt sich auch um eine Suchanzeige
in eigener Sache.
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1820, 6f. |
c/o Státní Banka Ceskoslovenská, Praha 1 - (engl./tschech.) z.H. der Staatlichen
Tschechischen Bank, Prag 1.
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1820, 9 |
Rainer Maria Rilke - 4.12.1875-29.12.1926; österr. Dichter; zeitweise Sekretär
Rodins, verheiratet mit der Bildhauerin Clara Westhoff. Rilkes Lyrik
entwickelte sich von impressionistischer Stimmungslyrik zu objektivierenden
»Dinggedichten«, in denen das Wesen der Dinge als Abbild Gottes gesehen
wird, bis zu einer um Stiftung einer neuen Mythologie bemühten Dichtung;
s.K. 138, 38;
1619, 29f.
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1820, 10f. |
Stefan George nannte sie einen Säulenheiligen - Stefan George (12.7.1868-1.12.1933),
dt. Dichter; gehörte in Paris zum Kreis um Mallarmé; gründete die
»Blätter für die Kunst« (1892-1919), in denen er mit Sendungsbewußtsein
eine neuantike Sicht der Welt entwarf; ging 1933 aus Protest gegen nazistische
Umdeutung seiner Werke in die Schweiz. In einem exklusiven »George-Kreis«
wurden seine Person und sein Werk abgöttisch verehrt. Verband aristokratisches
Lebensgefühl, Schönheitskult, Formstrenge und Ablehnung von
allem Konventionellen.
Anspielung auf ein Zitat von Bertolt Brecht: »Die Säule, die sich dieser Heilige
ausgesucht hat, ist mit zuviel Schlauheit ausgesucht, sie steht an einer zu
volkreichen Stelle, sie bietet einen zu malerischen Anblick«; vgl. Brecht, Über
Stefan George, in: Brecht (1988), Bd. 21, S. 247.
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1820, 11 |
Jean-Paul Sartre - Als Sympathisant, später Mitglied der KP Frankreichs
(1952-56) und häufiger Kritiker der westlichen Politik, war er im Ostblock
hoch angesehen, während die von ihm entwickelte Philosophie des Existenzialismus
als schädlich und bekämpfenswert galt; s.K. 397, 23.
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1820, 13 |
»L’Être et le Néant« - (frz.) »Das Sein und das Nichts«, Sartres theoretisches
Hauptwerk mit dem Untertitel »Essai d’ontologie phénoménologique«, 1943
(dt. »Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie«,
Hg. Justus Streller, Hamburg 1952), einflußreichstes Werk des frz. Existenzialismus.
Von Hegel, Husserl und Heidegger ausgehend, entwickelt
Sartre eine pessimistische, alle transzendentalen Gehalte leugnende Philosophie.
Der Mensch ist danach ein vom Alpdruck des Seienden bedrängtes Wesen,
das sich nur zur Existenz und Freiheit erheben kann, indem es auf die
Absurdität des Daseins mit der Idee des Nichts antwortet. In Johnsons Bibliothek
befindet sich eine ebenfalls von Justus Streller herausgegebene Neuausgabe
von 1962; s.K. 397, 23; 1834, 16f.
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1820, 16-34 |
der Betriebsbesichtigung Barlach ... im September unternommen - »Betriebsbesichtigungen«
von Produktionsstätten waren ein regelmäßiges Ritual der Schulausbildung.
Ende 1948 fand im »Haus der Kultur« in Güstrow, zu der Zeit in der alten Domschule am Annenplatz, eine Ausstellung mit Plastiken von Barlach statt; vgl. Moeller (2003), S. 143. Die Gertrudenkapelle ist erst seit 1953 als Gedenkstätte zugänglich, das Atelierhaus am Heidberg seit 1948; s.K. 712, 29.
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1820, 20 |
Fiete Hildebrandt - s.K. 360, 31.
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1820, 21f. |
begraben werden wollte er in Ratzeburg - Ernst Barlach (s.K. 712, 29 ) wurde am 28.10.1938 auf dem Neuen Friedhof in Ratzeburg, Seedorfer Straße, neben der Grabstätte seines Vaters beigesetzt. Auf seinem Grab steht der Klinkerbrand »Singender Klosterschüler«; s.K. 32, 27.
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1820, 22f. |
den schwebenden Engel - Bronzefigur Ernst Barlachs, auch »Der Schwebende«
genannt, mit den Gesichtszügen von Käthe Kollwitz. 1926/27 als Ehrenmal
für die Gefallenen des 1. Weltkriegs geschaffen und im Güstrower Dom angebracht.
Anlaß war die 700-Jahr-Feier der Stadt, der Barlach nur die Materialkosten
berechnet hatte. Die Skulptur wurde am 24.8.1937 als »entartete
Kunst« von den Nazis entfernt, zuerst im Turm des Doms versteckt, dann im
Schweriner Gemeindehaus, danach in der Garage des Bischofs. Ehe die
Skulptur von dort von einer Schrottfirma gegen eine Quittung für 6 Zentner
Schrott abgeholt und zu Rüstungszwecken eingeschmolzen wurde,
konnte ein Abdruck hergestellt werden. Die wenigen hundert Mark für den
Schrottwert wurden einer Nazi-Ehrenhalle überwiesen. Ein Zweitguß, 1942
nach dem Gipsmodell angefertigt, das ein Freund Barlachs auf einem Hof in
der Lüneburger Heide versteckt hatte, hängt seit 1952 in der Antoniterkirche
in Köln. Die Kölner Gemeinde machte der Güstrower Domgemeinde einen
weiteren Abguß zum Geschenk, der sich an wechselnden Plätzen seit dem
4.6.1952 wieder im Dom befindet (seit 1985 im westlichen Joch des südlichen
Seitenschiffs). Gesine und Anita können die Plastik im September 1951
nicht im Dom gesehen haben; vgl. Gehrig (1927); Schult (1927), S. 365; Klug
(1995), S. 74f.; s.K. 712, 29.
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1820, 23 |
die Figur des Zweiflers - Holzplastik (1937). Ein bärtiger knieender Mann, der
die Hände ringt. Seit 1953 als Leihgabe in der Güstrower Gertrudenkapelle;
s.K. 712, 29.
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1820, 23f. |
die junge Frau ... schlimmen Jahr 1937 - »Das schlimme Jahr 1937«, Gipsplastik
von 1938; seit 1953 in der Güstrower Gertrudenkapelle. Brecht schrieb in
Heft 1/1952 von »Sinn und Form« unter dem Titel »Notizen zur Barlach-Ausstellung«
zu dieser Statue: »Ich kann nicht viel anfangen mit Symbolik,
aber Barlachs Das schlimme Jahr 1937 (in Gips) möchte ich gelten lassen. Es
ist eine aufrechtstehende, abgemagerte junge Frau, in einen Schal gehüllt. Es
könnte die Sitzende Alte jung sein. Sie blickt sorgenvoll in die Zukunft, aber
ihre Sorge bezeugt den Optimismus des Bildhauers. Das Bildwerk bedeutet
eine leidenschaftliche Ablehnung des Naziregimes, des Goebbels-Optimismus.
Diese junge Frau kann ich mir gut als Aktivistin von 1951 vorstellen«,
vgl. Brecht (1988), Bd. 23, S. 201; Jansen (1999), S. 327; s.K. 712, 29.
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1820, 27 |
»Gefesselten Hexe« - Holzplastik (1926). Eine langhaarige, sitzende
Frauenfigur mit eingefallenem Gesicht, mit dem leeren Blick und den heruntergezogenen
Mundwinkeln einer Schicksalsergebenen. Ihre Handgelenke sind über
kreuz gefesselt. Als Leihgabe in der Güstrower Gertrudenkapelle; s.K. 712, 29.
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1820, 29 |
en face - (frz.) von vorn.
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1820, 31 |
»Fries der Lauschenden« - Neun Skulpturen aus Eichenholz (Der Empfindsame,
Die Träumende, Die Pilgerin, Der Begnadete, Die Tänzerin, Der Wanderer,
Der blinde Bettler, Der Gläubige, Die Erwartende), die auf Entwürfe für
ein Beethovendenkmal zurückgehen und einen runden Sockel umgeben sollten.
Der Magistrat von Berlin hatte zum 100. Geburtstag des Komponisten
einen Wettbewerb ausgeschrieben, aber keinen der Entwürfe angenommen.
1930 wurden für Tilla Durieux (s.K. 1739, 7) drei Figuren in Holz ausgeführt,
aber erst der Auftrag Hermannf. Reemtsmas erlaubte die Vollendung der Figuren.
Nach Barlachs Entwurf, der aber nicht mehr ausgeführt wurde, sollten
die schlanken Holzfiguren in Nischen unter gotischen Baldachinbögen stehen.
Der seit 1935 bekannte Name der Skulpturenreihe wurde von Barlach
als zu lyrisch erachtet. Von 1935 bis 1960 befanden sich die neun Figuren in
der Privatsammlung Reemtsmas, seitdem stehen sie im Hamburger Barlach-
Haus im Jenischpark. Die Figur des blinden Bettlers wurde in veränderter
Form aus dem für die Lübecker Katharinenkirche bestimmten Zyklus »Gemeinschaft
der Heiligen« (s.K. 712, 34f.) übernommen; Bronzegüsse dieser
Plastik stehen im Klosterhof des Ratzeburger Doms und im Rostocker Kloster
zum Heiligen Kreuz. Im Güstrower Atelierhaus Barlachs waren die kleineren
Gips-Originale bzw. -Entwürfe des »Fries der Lauschenden« ausgestellt.
1934/35 hatte Berthold Kegebein die Holzoriginale in Barlachs Atelier
fotografiert; Mappen mit Originalabzügen der Serie, hg. vom Kunstverlag
H.C. Schmiedicke, Leipzig, waren in der DDR sehr verbreitet. Es gab die
Schwarz-Weiß-Aufnahmen in zwei verschiedenen Formaten, eine Ausgabe
war zusammengestellt von Friedrich Schult; vgl. Jansen (1986), S. 47-68; s.K. 712, 29.
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1820, 36 |
der Deutschen Akademie ... Berlin NW 7 - Als Deutsche Akademie der Künste
am 24.3.1950 gegr., später mit dem Zusatz »zu Berlin« versehen; Sitz: am
Robert-Koch-Platz 7, der zur Zeit der Gründung im Postbezirk NW 7 lag
(im Ostsektor, unweit der Grenze), später zu N 4 gehörig. Die Akademie verstand
sich als Rechtsnachfolgerin der Preußischen Akademie der Künste; sie
unterstand dem Ministerrat. Ihre vier Sektionen (Bildende Kunst, Darstellende
Kunst, Literatur und Sprachpflege, Musik) sollten »an der Entwicklung und
Verbreitung einer parteilichen und volksverbundenen Kunst des sozialistischen
Realismus« mithelfen. Die Akademie veranstaltete regelmäßig Ausstellungen,
veröffentlichte in »Sinn und Form«, seit 1963 in eigenen Publikationen
und verlieh Preise. Arnold Zweig war der 1. Präsident (1950-53), gefolgt
von Johannes R. Becher; s. 1821, 6f.
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1821, 1-4 |
Und in welchen ... »des Neuen Deutschlands« - »Zur Beugung der Namen
[...] Im Wesfall der Einzahl steht -s, wenn der Name nicht schon durch ein
zugehöriges, vorangehendes Wort als Wesfall kenntlich ist. [...] Mehrteilige
Eigennamen sind zu beugen. Tritt ein Geschlechtswort hinzu, so wird auch
dieses gebeugt«, Duden (1962), S. 856 ff.; s. 1803, 20f.; Neues Deutschland:
s.K. 73, 28f.
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1821, 5-20 |
Die S.E.D. hatte ... seiner selbstgewählten Vereinsamung - Vgl. den mit »Gi.« unterzeichneten
Artikel »Ernst-Barlach-Ausstellung« im »Neuen Deutschland«
vom 4.1.1952: »Den Nazis, die im Deutschen den Herrendünkel, den Rassenwahn
züchten wollten, mißfiel Barlach, weil er nicht die blonde Bestie
verherrlichte.
Aber die neuerliche Betrachtung seines Werkes zeigt doch so deutlich wie
noch nie, daß Barlach ein auf verlorenem Posten stehender, in seinem Grundzug
rückwärts gewandter Künstler war. [...] Mit Vorliebe sucht Barlach seine
Typen in Bettlern, Vagabunden, Landstreichern, jenen passiven Schichten des
Lumpenproletariats, die ohne jede Hoffnung leben.
Barlach ist 1906 in Rußland gewesen. Aber der Hauch der russischen Revolution,
die damals noch tobte, hat ihn nicht berührt. Er hat Rußland so gesehen,
wie es die westliche Dekadenz zu sehen beliebte, [sic] und wie es der mit
der Reaktion liebäugelnde Mystizismus gewisser russischer Intellektuellengruppen
(Gottsucher) zu verhimmeln liebte: die Welt der Deklassierten, die
Welt der Barfüßler. Es wurde damals in den Salons große Mode, Bettler und
Vagabunden interessant zu finden. Eben diese Welt der Barfüßler umkleidet
Barlach mit einem Glorienschein. [...]
Stalin hat in seinem Werk Anarchismus oder Sozialismus über diese Welt der
Barfüßler gesagt: In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand
unter der russischen revolutionären Intelligenz ein großer Streit. Die Volkstümler
behaupteten, der Hauptfaktor, der die Befreiung Rußlands bewerkstelligen
könne, sei die Kleinbourgeoisie in Dorf und Stadt. Wieso? fragten
die Marxisten sie. Weil die Kleinbourgeoisie in Dorf und Stadt, sagten die
Volkstümler, jetzt die Mehrheit bildet und außerdem, weil sie arm ist und im
Elend lebt.
Die Marxisten erwiderten: Richtig ist, daß die Kleinbourgeoisie in Dorf und
Stadt heute die Mehrheit bildet und daß sie tatsächlich arm ist, aber kommt
es denn darauf an? Die Kleinbourgeoisie bildet schon lange die Mehrheit,
doch hat sie bis jetzt ohne die Hilfe des Proletariats keinerlei Initiative im
Kampf für die Freiheit an den Tag gelegt. Und warum? Weil die Kleinbourgeoisie
als Klasse nicht wächst, sondern sich im Gegenteil von Tag zu
Tag zersetzt und in Bourgeois und Proletarier zerfällt. Auf der anderen Seite
kommt selbstverständlich auch der Armut hier nicht die entscheidende
Bedeutung zu: die Barfüßler sind noch ärmer als die Kleinbourgeoisie, doch
wird niemand behaupten, daß sie die Befreiung Rußlands bewerkstelligen
können.
Es kommt, wie man sieht, nicht darauf an, welche Klasse heute die Mehrheit
bildet, [sic] oder welche Klasse ärmer ist, sondern darauf, welche Klasse erstarkt
und welche sich zersetzt. [...]
Barlachs Werk enthält nichts Zukunftsweisendes. Deshalb kann er für uns
nicht als Lehrmeister gelten. [...]
Seine Orientierung auf eine verfaulende Gesellschaftsschicht hat ihm den
Zugang zu den [sic] großen progressiven Strom des deutschen Volkes verschlossen.
Er hat sich von ihm isoliert. Das ist das ganze Geheimnis seiner
selbstgewählten Vereinsamung.«
Der letzte Satz bezieht sich auf einen Satz aus Stalins »Anarchismus oder
Sozialismus« (s.K. 1821, 19). Der fehlerhafte Dativ im Romantext (»dem
Zugang«, s. 1821, 17) spielt auf den falschen Kasus im gleichen Satz der dt.
Übersetzung des Stalinsatzes an; vgl. Jansen (1999), S. 321f.; s.K. 712, 29.
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1821, 7 |
Girnus - Wilhelm Girnus (27.1.1906-10.7.1985), Gymnasiallehrer, Politiker;
1935-45 als Kommunist in Zuchthaus und KZ, promovierte bei Hans
Mayer, 1957-62 Staatssekretär für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR,
Kulturredakteur des »Neuen Deutschlands«, seit dem 31.9.1951 hauptverantwortliches
Mitglied der für ihre Zensurtätigkeit berüchtigten »Staatlichen
Kunstkommission«, 1964-81 Nachfolger Peter Huchels als Chefredakteur
der Zeitschrift »Sinn und Form«. Im Zuge der Formalismus-Debatte wurde
die Berliner Barlach-Ausstellung 1951 als »volksfremd« bezeichnet; vgl. BU,
S. 103-107.
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1821, 8 |
Formalismus - Seit den dreißiger Jahren in der sowj. Ästhetik ein negatives Urteil
für Werke, die den realistischen Inhalt vernachlässigen und die Form verabsolutieren.
In der DDR gegen westliche Kunstrichtungen angewandt, die
die Inhaltsleere der kapitalistischen Gesellschaft zeigen, ohne ihre Ursachen
aufzudecken, und gegen Künstler im eigenen Land, die westliche Stilelemente
übernahmen oder den Kriterien des soz. Realismus nicht genügten. Damit
konnten alle neueren Kunstströmungen und jede Kritik an der eigenen Kulturpolitik
verurteilt werden. Auf der 5. Tagung des ZK der SED vom
15.-17.3.1951 wurde ein Beschluß über den »Kampf gegen den Formalismus
in Kunst und Literatur« gefaßt; seitdem galt Formalismus als Gegenbegriff
zum soz. Realismus. Vgl. BU, S. 107: »Unter seiner [Girnus’] Ägide, als
er der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten vorsass, hatte ein
Oberschüler lernen müssen für die Reifeprüfung, was ein Girnus unter Formalismus
verstand, nämlich eine typische Verfallserscheinung der bürgerlichen
Kunst, der als einer Mode-Erscheinung auch fortschrittliche Künstler
verfallen können«; s. 1821, 26.
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1821, 12 |
der russischen Revolution von 1906 - 1861 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben,
ohne daß die Bauern Land zugeteilt bekamen; die Industrialisierung verschärfte
die sozialen Gegensätze, so daß es wiederholt zu Streiks kam. Der
»Blutige Sonntag«, als am 9.(22.)1. 1905 in Petersburg auf unbewaffnete Demonstranten
geschossen wurde, leitete den Aufstand ein. In Petersburg konstituierte
sich im Oktober 1905 ein Rat der Arbeiterdeputierten (»Sowjet«).
Streiks, Bauernkämpfe und bewaffnete Erhebungen veranlaßten Nikolaus II.,
am 17.10.1905 politische Grundrechte und Wahlen zu versprechen. Im Sommer
1906 brachen Aufstände in den Garnisonen von Sveaborg und Kronstadt
und bei der Schwarzmeerflotte aus. Durch einen Staatsstreich (Änderung des
Wahlrechts am 3.6.1907) gelang es Nikolaus II., sich die Macht zu erhalten.
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1821, 12f. |
Bekleidete eine Welt ... mit einem Glorienschein - Die Eindrücke der Steppenlandschaft
und der einfachen Menschen, die Barlach im Sommer und Herbst
1906 auf einer Reise zu seinem Bruder im Donezgebiet gewonnen hatte, haben
sein weiteres Schaffen beeinflußt. Seine Bettlergestalten in Holz, Bronze
und Porzellan begründeten seinen Ruhm als Bildhauer.
Die russ. Sozialbewegungen des 19. Jh.s hofften mit einem fast mystischen
Glauben auf die Kräfte des einfachen russ. Volkes. In der bäuerlichen Dorfgemeinschaft
sahen sie die Urzelle einer kommenden soz. Gesellschaft.
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1821, 13-16 |
Was hingegen hat ... Richtig ist, daß ... - Stalins »Anarchismus oder Sozialismus?«
(Stalin [1952], Bd. 1, S. 257-323) erschien zuerst 1906/07 als mehrteilige
Serie in der Zeitung »Achali Zchowreba«. Der als Entgegnung auf eine
Ende 1905/Anfang 1906 gegr. georgische Anarchistengruppe geschriebene
Aufsatz verwahrt sich gegen Vorwürfe, daß Anarchisten und Marxisten die
gleichen Prinzipien hätten.
Den im »Neuen Deutschland« zitierten Passus hat Stalin als direkt anschließendes
Beispiel für seine Argumentation im Abschnitt »I. Die dialektische
Methode« genutzt: »Daher auch der bekannte dialektische Leitsatz: Alles,
was wirklich ist, d.h. alles, was von Tag zu Tag wächst, ist vernünftig, und
alles das, was sich von Tag zu Tag zersetzt, ist unvernünftig und wird daher der
Niederlage nicht entgehen.« Ein Beispiel. In den achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts entstand unter der russischen revolutionären Intelligenz ein
großer Streit. Die Volkstümler behaupteten, der Hauptfaktor, der die Befreiung
Rußlands bewerkstelligen könne, sei die Kleinbourgeoisie in Dorf und
Stadt. Wieso? fragten die Marxisten sie. Weil die Kleinbourgeoisie in Dorf und
Stadt, sagten die Volkstümler, jetzt die Mehrheit bildet und außerdem, weil sie
arm ist und im Elend lebt.
Die Marxisten erwiderten: Richtig ist, daß die Kleinbourgeoisie in Dorf und
Stadt heute die Mehrheit bildet und daß sie tatsächlich arm ist, aber kommt
es denn darauf an? Die Kleinbourgeoisie bildet schon lange die Mehrheit,
doch hat sie bis jetzt ohne die Hilfe des Proletariats keinerlei Initiative im
Kampf für die Freiheit an den Tag gelegt. Und warum? Weil die Kleinbourgeoisie
als Klasse nicht wächst, sondern sich im Gegenteil von Tag zu Tag zersetzt
und in Bourgeoisie und Proletarier zerfällt. Auf der anderen Seite kommt
selbstverständlich auch der Armut hier nicht die entscheidende Bedeutung
zu: die Barfüßler sind noch ärmer als die Kleinbourgeoisie, doch wird niemand
behaupten, daß sie die Befreiung Rußlands bewerkstelligen können;
vgl. Stalin (1952), Bd. 1, S. 261f.; Stalin: s.K. 63, 10.
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1821, 19 |
Das das ganze Geheimnis - Zitat aus J.W. Stalins »Anarchismus oder Sozialismus?«:
»Das ist das ganze Geheimnis! [...] das sind im großen und ganzen die
Ansichten der Anarchisten über die dialektische Methode«; vgl. Stalin (1952),
Bd. 1, S. 271.
Das doppelte »das« entstand durch einen Lesefehler bei der Korrektur. In
Johnsons Manuskript stand ursprünglich: »Das ist das ganze Geheimnis«, »ist«
wurde deutlich durchgestrichen, das zweite »das« nur schwach; Stalin: s.K. 63, 10.
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1821, 22-29 |
den Äußerungen eines ... Holzes, fester Stoffe - In der »Täglichen Rundschau«
vom 20./21.1.1951 wurden in dem mit »Orlow« unterzeichneten Artikel
»Wege und Irrwege der modernen Kunst« Bildhauer und Graphiker der DDR
kritisiert: »Die unter den Bildhauern (und Graphikern) der DDR verbreitete
formalistische Theorie von der Offenbarung des Materials hält der Kritik
noch weniger stand als der von Plechanow so erbarmungslos kritisierte Impressionismus.
Die Anhänger dieser Theorie behaupten, die Hauptaufgabe des
Bildhauers sei nicht die Schaffung einer künstlerischen Gestalt, sondern die
Offenbarung des Steins als Stein, des Holzes als Holz usw., d.h. die Demonstrierung
des Materials, aus dem das Bildwerk gemacht ist.«
Orlow bezieht sich, ohne Barlach zu nennen, auf eine seiner Aussagen, aus der
Johnson hier zitiert:
»Die Gedankenwelt des Plastischen ist an die solidesten Begriffe des Materials,
des Steins, des Metalls, des Holzes, fester Stoffe gebunden. Das Gebirge,
der Baum haben die Gefühlswelten in sich, die herausgearbeitet werden können.
Die absolute Bestimmtheit, die Umgrenztheit des Gefühls sind ihr
Reich, das in Ruhe und Majestät Himmelsstürmerische, der Trotz der Titanen,
die Schroffheit, Weltabgeschiedenheit des innigst vertieften Weltgefühls.
Keine Wolke, kein Wind, kein Licht und kein Dämmer geben ihm Nahrung.
Es gestattet kein Schwanken und kein Schillern, kein Zittern und kein
fürchtendes Hoffen. Es will. Im Plastischen findet die Menschenseele den
Ausdruck ihrer Urgestalt, wie sie das Gebirge dem Denkenden darbietet. Die
Möglichkeit, das Letzte herauszustoßen. Das schlechthin Erhabene der Überzeugung
zu predigen, das Bewußtsein des absoluten Ichs zu entblößen, nicht
zu verhüllen.
Aus dem Charakter des Steins, der Bronze heraus ist die Formgebung des
Bildhauers abzuleiten. Material-Begriffe werden zu Anschauungs-Normen;
nach den Maßen von Erz und Stein wird die darstellbare Welt gemessen, auf
Eigenschaften, die Stein und Erz entsprechen, geprüft. Die bildhauerische
Anschauung reißt wie ein Sturm alle krause Sinnlichkeit und alles Zufallsspiel,
allen Überfluß und Ornamentluxus vom Knochenbau der Welt«; vgl.
Barlach (1951), S. 125; Jansen (1999), S. 323-325.
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1821, 23 |
N. Orlow - Dieser häufige russ. Name steht vermutlich für ein nie gänzlich
aufgedecktes Kollektivpseudonym oder für einen der führenden Kulturideologen
der UdSSR: Wladimir Nikolajewitsch Orlow, geb. 22.6.1908, 1941-45
TASS-Korrespondent an der Front; 1956-70 Herausgeber der Serie »Biblioteka
poeta«; spezialisiert auf die Interpretation russ. Klassiker aus marxistischer
Sicht.
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1821, 24 |
Tägliche Rundschau - s.K. 518, 35.
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1821, 31-35 |
Barlachs Haus am ... Kamm des Heidberges - Barlach mietete 1926 ein Zimmer
im Haus des Ehepaars Böhmer am Ostufer des Güstrower Inselsees, am Fuß
des Heidbergs. Marga Böhmer lebte nach ihrer Scheidung als Barlachs Lebensgefährtin
mit ihm in diesem Haus. Nebenan ließ sich Barlach ein Atelierhaus
bauen, das 1932 fertiggestellt wurde und heute etwa 400 Plastiken
und seinen Nachlaß beherbergt.
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1821, 31 |
Inselsee von Güstrow - s.K. 1663, 1.
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1822, 1-11 |
auch dem Auge ... den Tod. Sterbens - Den Güstrowern ist dieser Blick auch
von dem Gemälde des einheimischen Malers Georg Friedrich Kersting
(1785-1847) vom Anfang des 19. Jh.s bekannt; Abbildung in Woese (1991). Vgl. Johnsons Brief an Heinz Lehmbäcker vom 17.8.1982, geschrieben kurz nach einem Besuch in Güstrow: »Die Wahrheit zu sagen, ich war auch bloss gekommen wegen des Ausblicks vom Kamm des Heidbergs, wo ein Abhang sich öffnet, güstrower Kindern wohl bekannt als Schlittenbahn, auch dem Auge freien Weg öffnend über die Insel am See und das hinter dem Wasser sanft ansteigende Land, besetzt mit sparsamen Kulissen aus Bäumen und Dächern. Obschon ich dieses Bildes gegenwärtig zu sein hoffe in der Stunde meines Abscheidens, wäre ich doch verbunden für eine fotografische Abblichtung davon, gerade wenn die Sonne düstere Regenwolken zur Seite drängt. (Format DIN A2)«, Lehmbäcker (2004), S. 181. (Lehmbäcker hat den beschriebenen Ausblick nicht finden können.)
s.K. 1776, 33f.
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1822, 17-20 |
Beschluß des IV... . eine ehrenhafte Verpflichtung - Auf dem IV. Parlament der
FDJ vom 27.-30.5.1952 in Leipzig erklärte sich der Verband zur komm.
Parteijugend, außerdem wurde Schießen als neue Sportart propagiert. Das
Manifest des IV. Parlaments forderte die Jugendlichen auf, sich zur »Verteidigung
der demokratischen Errungenschaften« zu melden, d.h. zur Kasernierten
Volkspolizei. Aus der Rede Walter Ulbrichts: »Wir begrüßen es deshalb,
daß der Zentralrat der FDJ alles tut, was möglich ist, um alle militärischen
Fähigkeiten in unserer Jugend zu entwickeln, damit sie ihre Aufgabe, den
Schutz und die Verteidigung unseres Vaterlandes, in Ehren durchführen kann.
Ich spreche den Wunsch aus, daß aus der FDJ recht viele Jugendliche hervorgehen,
die die Auszeichnung als tüchtige Scharfschützen erhalten werden«;
vgl. Weber (1966), S. 64. In Artikel 4 der Ergänzungen zur Verfassung
der FDJ hieß es: »Der Dienst in der Deutschen Volkspolizei ist für die Mitglieder
der Freien Deutschen Jugend Ehrendienst«; vgl. SBZ (1958), S. 193;
BU, S. 53.
Im Juli 1952 schuf die FDJ die Organisation »Dienst für Deutschland«, einen
halbjährigen Arbeitsdienst mit vormilitärischer Ausbildung, der sich nicht lange
hielt; vgl. Neues Deutschland vom 26.7.1952; s.K. 1269, 9f.;
1717, 21f.
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1822, 22-24 |
zu marschieren wie ... mit geschultertem Gewehr - DER SPIEGEL vom 11.6.1952
zeigt auf der hinteren Umschlagseite zwei Fotos von aus Anlaß des
IV. FDJ-Parlamentes marschierenden FDJlern. Auf dem oberen tragen die
Jungen die Gewehre im Präsentiergriff vor sich, den Kolben in die linke Hand
gestützt, die Mädchen auf dem unteren Bild tragen ihre Gewehre umgehängt.
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1822, 25-27 |
das Scharfschützen-Abzeichen ... die Stufe Eins - Vgl. DER SPIEGEL vom
18.6.1952, S. 4: »In sämtlichen volkseigenen Betrieben der DDR werden Schießzirkel
eingerichtet. Das volkseigene Kalk- und Zementwerk Rüdersdorf bei
Berlin meldet bereits 1000 Scharf- und Schlumpschützen für den Erwerb des
zum Ansporn gestifteten Scharfschützen-Abzeichens. Über den Erwerb des
Abzeichens schreibt FDJ-Scharfschütze Horst Pehnert im FDJ-Zentralorgan
Junge Welt: Das Gewehr ist mit einem Sechsschuß-Magazin geladen. Die
Bedingung für Stufe I des Schießabzeichens der FDJ ist, mit 3 Schuß 21 Ringe
zu schießen.«
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1822, 34f. |
Erstürmen der Festung Wissenschaft – Im Mai 1928 forderte Stalin auf dem VIII. Kongress des
Komsomol die Jugendlichen auf, sich den Wissenschaften zu widmen: »Vor uns steht eine Festung. Ihr
Name, der Name der Festung, ist Wissenschaft mit ihren zahlreichen Wissenszweigen. Diese Festung
müssen wir um jeden Preis nehmen.« Stalin, Josef W.: Werke, Bd. II, Berlin 1954, S. 68f.
1948/49 wurde in der SBZ bzw. DDR unter der Maxime »Stürmt die Festung Wissenschaft« eine Kampagne geführt,
um auch an den Hochschulen die marxistische Ideologie durchzusetzen, aufgrund fehlender Hochschullehrer mit
Parteizugehörigkeit hatte sie nur zögerlich Erfolg; vgl. Müller, Marianne: »… stürmt die Festung Wissenschaft!«,
Berlin 1953.
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1822, 36 |
Stockholmer Appell - s.K. 1685, 7f.
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1822, 36 |
Wehrpflicht - s.K. 1624, 18.
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1823, 3 |
Schulgruppe - s.K. 1559, 16f.
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1823, 3f. |
Zentralrat der F.D.J. - s.K. 1731, 28f.
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1823, 11 |
Teltow - Ort in der DDR, an den Südwesten Westberlins angrenzend.
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1823, 13f. |
Abzeichen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft - Das Abzeichen
zeigte aus einem Ring aufsteigend die Fahne der DDR vor der der Sowjetunion;
s.K. 1559, 28-30.
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1823, 15 |
das Abzeichen »Für Gutes Wissen« - s.K. 1729, 4f.
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1823, 15f. |
das Mitgliedsabzeichen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands -
s.K. 1361, 10f.;
1681, 13f. In der zweibändigen Taschenbuchausgabe steht: »sozialistischen
einheitspartei«.
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1823, 20 |
»Freundschaft« - s.K. 1637, 13.
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1823, 31 |
Spandau - Stadtbezirk am Westrand Westberlins.
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1824, 8 |
der letzte Besuch - s. 1801, 21-1805, 12.
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1824, 10-19 |
Das zweite war ... 59-FZ 501 - Johnson benutzt sein eigenes »Abschluß-Zeugnis
der Oberschule« als Vorlage. Es ist auf Güstrow, den 25.6.1952 datiert
und trägt die im Text angegebene Druckgenehmigungsnummer. (Sie war
in der DDR für jedes bedruckte Papier erforderlich.)
Unter »1. Allgemeine Beurteilung« steht: »J. ist ein gewissenhafter, zuverlässiger
Schüler gewesen, der mit großer Selbständigkeit und Gründlichkeit gearbeitet
hat. Seine Initiative hat in jeder Hinsicht vorbildlich auf seine Klassengefährten
gewirkt.«
Unter »2. Gesellschaftliche Tätigkeit« steht: »J. ist seit dem 10.9.1949 Mitglied
der FDJ. Er erwarb das Abzeichen Für gutes Wissen in Bronze und leistete
gute organisatorische Arbeit. Mit Umsicht und Energie arbeitete U. an verschiedenen
Aufgaben mit. Er bemühte sich durchaus mit Erfolg in weltanschaulichen
Fragen Klarheit zu gewinnen.« Vgl. Fahlke (1994), S. 40; Klug
(1995), S. 69; Helbig/Müller (1998), S. 68f.
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1824, 15 |
gesellschaftlichen Tätigkeit - s.K. 1559, 31.
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1824, 16 |
G.C. ist seit ... Mitglied der F.D.J. - Johnson nimmt auch hier seinen eigenen
Beitritt zur FDJ als Vorlage; vgl. BU, S. 52.
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1824, 22 |
Neue Schule - s.K. 778, 29f.
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1824, 31 |
Birmingham - s.K. 93, 26.
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1825, 13 |
Iam scies, patrem tuum mercedes perdidisses - (lat.) Richtig: perdidisse; übersetzt
im Text 1825, 15.
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1825, 23-26 |
It may be ... 1949, p. 49 - (engl.) Man kann sehr wohl sagen, daß Englisch zu
den Sprachen gehört, die man sehr leicht schlecht sprechen kann, aber daß es
keine Sprache gibt, die so schwer richtig anzuwenden ist; vgl. C. Wrenn, Die
englische Sprache, Oxford 1949, S. 49.
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1825, 27 |
die Universität - s.K. 778, 26.
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1825, 29-31 |
Gustav Kirchner, Die ... Halle (Saale) 1952 - Gustav Kirchner: Die zehn
Hauptverben des Englischen im Britischen und Amerikanischen. Eine semasiologisch-syntaktische
Darstellung ihrer gegenwärtigen Funktionen mit
sprachgeschichtlichen Rückblicken, Halle 1952; Johnson besaß ein Exemplar.
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1825, 39 |
1898 in Malchow am See - Gesines Vater ist 1888 geboren, Malchow: s.K. 17, 7.
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1826, 4 |
post numerando - Eigentlich: nachträglich zahlbar, im Gegensatz zur Vorleistungspflicht;
hier: zurück.
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1826, 7 |
Mählspich - (nd.) auch »Mählspies«: 1. Mehlspeise, 2. hoher, steifer Kragen.
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1826, 11f. |
Hest all hürt ... n’Norsvull kraegen? - (nd.) Hast du schon gehört, Heinrich,
Fritz A. hat heut morgen wieder den Arsch vollgekriegt?
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1826, 18 |
Petersdorf, Göhren, Nossentin - Kleine Ortschaften um Malchow, Petersdorf im
Westen, Göhren am Südufer, Nossentin am Nordufer des Fleesensees.
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1826, 22 |
Robert Burns - 25.1.1759-21.7.1796, schottischer Lyriker; volksliedhafte
Natur- und Liebeslieder, in Schottland als Nationaldichter verehrt.
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1826, 25 |
nach seinem Bedürfnis und Verdienst - s.K. 1439, 10.
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1826, 25-27 |
so wie Brecht ... wollen in Ostdeutschland - Brecht soll auf die Frage, warum er
Hans Mayer schätze, entgegnet haben: »Aber er bringt etwas Leben und Farbe
in diese märkische Sandwüste. Sie werden nicht überrascht sein, zu hören, daß
ich kein Anhänger von Oscar Wilde bin. Lebte er jedoch bei uns [...] so würde
ich es übernehmen, dafür zu sorgen, daß er jeden Tag eine frische Chrysantheme
für sein Knopfloch kriegte«; vgl. Müller/Semmer (1968), S. 96.
Oscar Fingal O’Flahertie Wills Wilde (16.10.1854-30.11.1900), irischer
Schriftsteller; Ästhetizist des späten 19. Jh.s, spottete in seinen Dramen über
die leeren Formen der höheren Klassen (und alle anderen Dummheiten
auch).
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