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Seite/Zeile(n)
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Datum/Text
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13. August 1968 |
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1805, 29 |
Karlovy Vary - s.K. 1200, 6.
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1805, 36- 1806, 6 |
»Walter Ernst Karl« ... längliches Fragezeichen gehängt - Anläßlich Ulbrichts
Zusammentreffen mit Dubček erschien in der NYT vom 13.8.1968 ein Lebenslauf
unter der Überschrift »East Germany’s Hardy Leader/Walter Ernst
Karl Ulbricht«. Über die Auseinandersetzung mit Ziller heißt es: »In 1957
Gerhard Ziller, then the East German Secretary for Economic Affairs, gave
vent to these feelings during an angry debate. While we were in concentration
camps, Comrade Ulbricht, he is reported to have said, you were making
speeches in Russia. You have always been safe.
Mr. Ulbricht was said to have told Mr. Ziller with typical composure
that what he had said I will never forget and suggested to discuss the matter
later.
The discussion never took place. Mr. Ziller went home and shot himself.« An
diesen Ausschnitt der NYT hat Johnson ein sehr langgezogenes Fragezeichen
gesetzt.
Die Vornamen Ernst Karl werden in den Biographien Ulbrichts nicht erwähnt;
s.K. 993, 8; 1138, 30.
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1805, 36- 1806, 1 |
Gerhard Ziller - Gerhart [sic] Ziller (19.4.1912-14.12.1957),
Elektromonteur und technischer Zeichner; seit 1930 Mitglied der KPD, Redakteur der
KPD-Zeitung »Arbeiterstimme«; nach 1933 mehrmals inhaftiert, Mitglied der
Widerstandsgruppe Saefkow, 1944/45 im KZ Sachsenhausen und Gefängnis
Leipzig; trat 1946 der SED bei, setzte sich als Industrieminister seit 1949 für
den Aufbau in Sachsen ein, 1950-53 Minister für Maschinenbau, 1953 Sekretär
für Wirtschaft des ZK der SED, seit 1954 Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses;
wurde beschuldigt, der Gruppe Schirdewan-Wollweber anzugehören
(die im Februar 1958 wegen »Fraktionstätigkeit« gemaßregelt
wurde); beging Selbstmord. Auf der 30. Tagung des ZK der SED vom
30.1.-1.2.1957 waren Mitglieder des Instituts für Wirtschaftswissenschaften
von Ulbricht wegen reformistischer Auffassungen angeklagt worden und
neue Direktiven für die Staatliche Plankommission erteilt worden. Außer der
Kritik an Ulbricht scheinen Auseinandersetzungen über die Wirtschaftspolitik
zu Zillers Freitod geführt zu haben.
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1806, 23f. |
auf der Schleife - s.K. 1050, 22.
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1806, 26 |
Marina City - Ein als Beispiel gelungener moderner Architektur bekannter
61stöckiger Büro- und Appartmentkomplex am Chicago River; 1963/64
nach Plänen von Bertrand Goldberg errichtet, mit Theater, Eisbahn und
Jachthafen, dessen 179m hohe Zwillingstürme von weither zu sehen sind;
Chicago: s.K. 14, 34.
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1806, 33 |
Rockaway - s.K. 372, 27.
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1807, 1 |
bottnischen Ostsee - s.K. 154, 2f.
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1807, 3f. |
Olmütz, Olomouc - (dt. und tschech.) Ehemalige Hauptstadt Mährens, 1055
erstmals urkundlich erwähnt, Bischofssitz seit dem 11. Jh., Zentrum des
Katholizismus; s.K. 1809, 4f.
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1807, 4 |
hl. n. - (tschech.) Abk. für hlavní nádraží: Hauptbahnhof; s.K. 12, 27f.
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1807, 22 |
en famille - (frz.) zur Familie zugehörig.
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1808, 9f. |
neulich ist ihm ... Ja. Am-seln - Amseln leben normalerweise nicht in Schwärmen;
Amselmotiv: s.K. 274, 36.
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1808, 20 |
Protože nádraži je velmi daleko - (tschech. ugs.) übersetzt im Text. Richtig: Weil
der Bahnhof sehr weit weg ist.
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1808, 22f. |
Ne, jejich manželky ... Ještě dělám chyby - (tschech.) übersetzt im Text. »Vorsicht
doch!« ist ein dt. Zusatz; s.K. 1134, 31.
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1808, 29-31 |
So do I ... later. / Will do - (engl.)
- Ich dich auch.
- Dann bis später.
- Gut so.
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1809, 3 |
Morava - Tschech. Name der March; mündet bei Bratislava in die Donau.
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1809, 4 |
bei lüttem - (nd.) demnächst, bald.
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1809, 4f. |
die Olmützer Punktuation - Nach der Olmützer Punktation [sic] vom 29.11.1850,
geschlossen zwischen Preußen und Österreich, mußte Preußen die
Interventionspolitik in Kurhessen und Holstein dem Deutschen Bund, in
dem Österreich die Vormacht hatte, überlassen. Sie bedeutete das Ende der
Versuche Friedrich Wilhelms IV., die Einheit Deutschlands unter preußischer
Führung ohne Österreich zu erreichen, und führte zur Rückkehr Preußens
zur Frankfurter Bundesversammlung; s.K. 1141, 28f.; 1150, 5f.
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1809, 6 |
Wenzelsdom - Auf dem Fürstenberg an der March gelegen, 1107 als romanische
Basilika auf den Resten einer slawischen Burg begonnen, im 13.-16. Jh.
gotisch, im 19. neogotisch erweitert; mittelalterliche Bischofsgräber und
Wandmalereien, Domschatz.
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1809, 6f. |
In der Mauritiuskirche ... größte Orgel Mährens - Hauptkirche der Bürgerschaft
aus dem 14.-16. Jh., dreischiffiger Hallenbau, mehrmals durch Brände beschädigt;
Barockorgel von 1740-45 mit 2.311 Pfeifen von Michael Engler aus
Breslau.
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1809, 7 |
Der Heilige Berg - Svatý Kopeček, 412m hoher Berg 7km nordöstlich von
Olomouc mit weithin sichtbarer großer barocker Wallfahrtskirche.
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1809, 7 |
Ölmützer Sprachinsel - Heinrich Zdik, von 1126 bis 1150 Bischof, rief den
Kolonisierungsorden der Prämonstratenser nach Mähren. Die Könige Ottokar
I. und II. Prřemysl ließen, besonders nach Niederschlagung der Mongolen
1241, hier Deutsche ansiedeln. Bruno von Schaumburg, von 1246-81 Bischof,
zog weitere dt. Handwerker und Bauern ins Land und verlieh Olmütz
das Magdeburger Stadtrecht.
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1809, 11-16 |
Kaprova und Maislova ... zu Dlouhá třída - Jakobs Weg beschränkt sich auf die
Altstadt, insbesondere die Josephsstadt, das ehemalige jüd. Viertel, und folgt
wichtigen Stationen in Franz Kafkas Leben.
Das Eckhaus neben der St.-Nikolaus-Kirche, wo Kaprova ulice (Karpfengasse),
Maislova ulice (Enge Gasse) und U radnice zusammentreffen, trägt seit
1966 eine Gedenktafel für Franz Kafka, der im Vorgängerbau dieses Hauses
»Zum Turm« (damals Jáchymova ulice Nr. 4) am 3.7.1883 geboren wurde.
Das Haus lag am Rand des jüd. Ghettos.
Die Dušní ulice (Heilig-Geist-Gasse) führt nördlich des Altstädter Rings an
der Spanischen Synagoge vorbei bis zur Moldau. Kafkas Familie lebte von
1885-87 in Nr. 187.
In Nr. 6 der Mikulášska (früher Enge Gasse, Niklasstraße, heute Pařížská ulice)
wohnte die Familie Kafka 1887-88, in Nr. 36 (heute Pařížská třída) von
1907 an. Das inzwischen abgerissene Haus war das letzte vor der Moldau mit
Aussicht auf die in Bau befindliche Svatopluka-Čecha-Brücke; dieses Milieu
bildet den Hintergrund der Erzählung »Das Urteil«.
Die Celetná ulice (Zeltnergasse) führt vom Altstädter Ring in östlicher Richtung
zum Pulverturm, in Nr. 2 (Sixt-Haus) an der Einmündung zum Altstädter
Ring wohnte Kafka 1888-89. In derselben Straße hatte Kafkas Vater
1882 in Nr. 12 sein erstes Galanteriewarengeschäft eröffnet, das er später nach
Nr. 3 (Zu den drei Königen) verlegte. Im selben Haus, das an die Teinkirche
angrenzte, wohnte auch die Familie von 1896-1907.
Das Altstädter Rathaus ist ein gotischer Bau aus dem 14./15. Jh. mit berühmter
astronomischer Uhr am Altstädter Ring, der neogotische Anbau brannte
bei Kämpfen im Mai 1945 ab. An das Rathaus mit der Rückseite angrenzend
steht das mit Renaissance-Sgraffiti geschmückte Haus U minuty (Zur Minute),
Altstädter Ring 2, in dem Kafkas Familie 1889-96 wohnte, bis das Haus
in den Rathauskomplex einbezogen wurde.
Der Fleischmarkt (Masná ulice) liegt nordöstlich des Altstädter Rings. In
Nr. 16-28 befand sich die dt. Knabenschule, Kafkas erste Schule.
Das Kinský Palais ist ein Rokoko-Stadthaus am Altstädter Ring, 1755-65
nach Plänen von Dientzenhofer erbaut; von 1893 bis Juli 1901 besuchte Kafka
(wie auch Franz Werfel, Max Brod, Karl Kraus) hier das »k.k. Staatsgymnasium
mit deutscher Unterrichtssprache in Prag-Altstadt«. Kafkas Vater hatte
in demselben Gebäude seit 1912 sein Geschäft. (In dem Haus wuchs auch
Bertha von Suttner, geb. Gräfin Kinsky [1843-1914] auf.)
Das Karolinum, ein gotischer Bau am Obstmarkt (Železná ulice Nr. 9) südlich
des Altstädter Rings, ist das Hauptgebäude der damals »k.k. Carl-Ferdinands-Universität«,
die 1348 von Karl IV. gestiftet wurde und die älteste Mitteleuropas
ist. Hier war die juristische Fakultät, an der Kafka von 1901-03
studierte und am 18.6.1906 zum Dr. jur. promovierte.
Bei der privaten Versicherungsanstalt Assicurazioni Generali, deren Prager Filiale
sich im Eckhaus Wenzelsplatz Nr. 19/Jindříšská (Heinrichsgasse) befand,
arbeitete Kafka von Oktober 1907 bis Juli 1908, anschließend nahm er einen
Posten bei der »Arbeiter-Unfallversicherung für das Königreich Böhmen«,
Proic 7, an, wo er bis zu seiner vorzeitigen Pensionierung aus gesundheitlichen
Gründen 1922 blieb. Der neobarocke Gründerzeitbau der Arbeiter-Unfallversicherung
steht in der Nähe des Wenzelsplatzes, Na příkopě Nr. 7 (Am
Graben).
Die Bílkova ulice (Bilekgasse) ist eine Querstraße zur Pařižká, etwa zwischen
Altstädter Ring und Moldau. Kafka wohnte im August und September 1914
und im Februar 1915 in Nr. 10 bei seiner Schwester Valerie und begann dort
mit der Niederschrift des »Prozeß«. Vom März 1915 an blieb Kafka für zwei
Jahre in einer kleinen Wohnung in der Dlouhá třída (Lange Gasse) Nr. 18
(Zum Goldenen Hecht, heute Nr. 16), die vom Altstädter Ring nach Nordosten
führt.
1955, zur Zeit von Jakobs Besuch, galt Kafka in den soz. Ländern als dekadenter
Nihilist, da die von ihm beschriebene Entfremdung der Menschen im
Sozialismus beseitigt sei; seine Werke wurden nicht gedruckt. Vergeblich
wurde 1963 eine »Rehabilitierung« bei einer Kafka-Konferenz in Liblice versucht;
erst die Anbringung einer Gedenktafel am Geburtshaus markierte 1966
eine Wende.
1955 schrieb Johnson ein »Referat für das Seminar zu der Vorlesung von
Herrn Prof. Dr. Mayer Deutsche Literatur im Kaiser-Reich« unter dem Titel
»Das Leben Franz Kafkas«; vgl. Johnson, Entwöhnung, S. 62-66; Kafka:
s. 1505, 26; s.K. 1860, 9-12.
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1809, 38 |
Kükendraht - s.K. 500, 27.
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1810, 2 |
Luther - s.K. 806, 31.
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1810, 3 |
Erzbischof Josef Beran - 29.12.1888-17.5.1969, tschech. Priester; 1942-45 im
KZ Dachau, 1946 Erzbischof von Prag, anfangs wegen seiner KZ-Haft und
einfachen Herkunft von der KPČ geduldet; zelebrierte nach Gottwalds Wahl
zum Staatspräsidenten am 14.6.1948 im Prager Veitsdom ein Te Deum. Als
jedoch die Kurie eine gewünschte Loyalitätserklärung gegenüber dem Staat
verweigerte, kam es 1949 zum offenen Kirchenkampf, der in dem
Kirchengesetz vom 14.10.1949 gipfelte: Alles Kirchenvermögen wurde dem Staat
übereignet, der die Besoldung der Geistlichen übernahm und einen Treueeid
von ihnen verlangte, den der niedere Klerus aufgrund der finanziellen Abhängigkeit
leisten mußte. Der Widerstand des höheren Klerus wurde in einer
Reihe von Prozessen gebrochen (s.K. 1656, 28-30; 1810, 10-12). 1951-65
stand Beran in verschiedenen Klöstern als »Staatsfeind« unter einer Art Hausarrest;
nach seiner Ernennung zum Kurienkardinal erhielt er 1965 eine Ausreiseerlaubnis.
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1810, 3-6 |
Am 7. Juni ... sich geweigert hatte - s.K. 46, 35. Die Verfassunggebende Nationalversammlung
hatte am 9.5.1948 eine Verfassung gebilligt, in der die Prinzipien
des soz. Systems verankert waren, weshalb sich Präsident Beneš weigerte,
sie zu unterschreiben, und zurücktrat. Sie wurde danach vom
Ministerpräsidenten Gottwald unterzeichnet, womit sie de facto, aber nicht
de jure in Kraft trat. Dieser Zustand hielt bis zur Einführung der Verfassung
von 1960 an.
Klement Gottwald [sic; in der zweibändigen Taschenbuchausgabe berichtigt]
(23.11.1896-14.3.1953), Tischler, Politiker; 1929 Generalsekretär der tschechos.
KP, seit 1939 im Exil in der UdSSR, 1946 Ministerpräsident, nach dem
komm. Staatsstreich im Februar 1948 Staatspräsident.
Eduard Beneš (28.5.1884-3.9.1948), Nationalökonom, Mitbegründer der
Tschechoslowakei, 1918-35 Außenminister. Beneš war nicht Präsident auf
Lebenszeit: 1935 als Staatspräsident gewählt, trat er 1938 zurück und lebte als
Privatperson in den USA und Großbritannien. Nach der Aufnahme seiner politischen
Arbeit im Exil 1939 wurde er rückwirkend von 1938 bis zu seiner
Neuwahl 1946 als Präsident anerkannt. Er stand 1940-45 der Exilregierung
in London vor. Von den Kommunisten überrumpelt und gesundheitlich
schwer angeschlagen, trat er am 6.6.1948 zurück.
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1810, 10-12 |
Titularbischof von Olmütz ... fünfundzwanzig Jahren Gefängnis - Ein Titularoder
Weihbischof ist nur der Weihe nach Bischof, leitet aber keine Diözese.
Um den Widerstand des Klerus zu brechen, fanden von Mai 1950 bis Januar
1951 mehrere »Kirchenprozesse« in der ČSR statt, in denen allein Kontakte
zum Vatikan, der »Spionagezentrale der USA«, zur Verurteilung führen konnten.
Der Weihbischof von Olmütz Stanislav Zela wurde am 18.7.1950 verhaftet,
für den Prozeßtermin gegen ihn und acht andere Kirchenmitarbeiter
werden sowohl der 27.11.-2.12.1950 wie auch der 10.1.-15.1.1951 angegeben.
In dem offiziell »Prozeß gegen die Agenten des Vatikans in der Tschechoslowakei«,
inoffiziell meistens »Prozeß gegen Zela, Opasek und Konsorten«
genannten Gerichtsverfahren wurde Zela zu 25 Jahren Gefängnis
verurteilt; vgl. Kaplan (1986a), S. 149-153, 213.
Im Vorschlag an das Präsidium des ZK der KPČ zur Einleitung politischer Prozesse
gegen die Kirchenführung vom 12.9.1950 heißt es: »Der zweite Prozeß
würde gegen eine Gruppe von 21 höheren kirchlichen Würdenträgern
geführt werden, die sogenannten Handlanger der Bischöfe. Unter diesen befindet
sich auch Dr. Stanislav Zela, der Olmützer Weihbischof, dem
verschiedene Delikte aus der Zeit der Okkupation und enge Zusammenarbeit mit
den Organen der Gestapo zur Last gelegt werden. In dieser Hinsicht soll er
sehr kompromittiert sein«; vgl. Kaplan (1990), S. 268.
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1810, 16- 1811, 6 |
Die Parfümkisten-Verschwörung ... auf versuchte Meuchelmörderei - Die Koalition der
»Volksfronten« zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten litt seit der Zurückweisung der
Marshall-Plan-Hilfe unter Spannungen, der Sieg des rechten Flügels der Sozialdemokratie auf dem
Parteitag am 16.11.1947 zwang Gottwald zur Regierungsumbildung. In diese Krisensituation fällt der
erwähnte Zwischenfall: »Am 10. September 1947 erhielten die Minister Peter Zenkl, Prokop Drtina
und Jan Masaryk Sprengstoffpakete von mysteriöser Herkunft. [...] Obwohl die gerichtliche
Untersuchung eine heiße Spur ermitteln konnte, die in ein Kreissekretariat der KPTsch in Olmütz
führte, wurden weitere Ermittlungen eingestellt, und erst nach der Machtübernahme über die ganze
Angelegenheit, allerdings unter anderen Vorzeichen entschieden. Der neue Justizminister Alexej
Čepička erklärte im Mai 1948, die Affäre mit den Paketen sei von den führenden Funktionären der
Volkssozialistischen Partei unter der Führung von Generalsekretär Vladimir Krajina fabriziert worden.
Eine Woche später strebte das Innenministerium allerdings einen Prozeß gegen 13 Personen an, die
angeblich mit der Affäre zu tun hatten, und sah als Hauptangeklagten den ehemaligen Justizminister
Drtina vor, der seinerzeit gegen das KPTsch-Parteisekretariat in Olmütz Anklage erheben wollte.
Drtina versuchte unmittelbar nach der Machtübernahme Selbstmord zu begehen«; vgl. Kaplan
(1986a), S. 108; Hoensch (1978), S. 123f.
Claire Sterling berichtet, wie der Außenminister Jan Masaryk in Moskau gezwungen worden war, die
Annahme des Marshallplans zurückzunehmen: »He [Masaryk] was not back more than two months
when they tried to kill him. The bombs came in wooden boxes marked Perfume, one for him, one for
the leader of President Beneš's National Socialist Party, Peter Zenkl, one for the courageous Minister
of Justice, Prokop Drtina. Clumsily contrived, the bombs were readily detected. The Communists at
once accused the democrats of concocting the plot for propaganda purposes. Drtina, though blocked
at every turn by Gottwald's Interior Minister, managed to trace the maker of the boxes, then the maker
of the bombs, then the sender, finally the instigator. The evidence, backed by confessions, was too
clear for denial. But the plotters, saved by a Communist Putsch, were never brought to trial. All were
Communist functionaries, from the Olomouc region. The instigator, Alexej Čepička, was Gottwald's
son-in-law.
People who were there say that Gottwald's voice broke with joy when, five months after those
perfume boxes were sent, he announced to a delirious crowd in Wenceslas Square that Alexej
Čepička would be his new Minister of Justice. That was on February 25, 1948, the day of the
Communist Putsch. Prokop Drtina, replaced by his would-be assassin, jumped from a third-story
window the following night. [...]
Drtina didn't die. He spent the next five years, three months and eighteen days in prison awaiting trial,
and seven years more to complete his prison sentence for false accusations of attempted
assassination.« Sterling (1968), S. 8f.
»alleged box manufacturer, Pilař, was a militant Communist; he often went fishing near the spot
where the explosives were discovered. This spot was a depression several yards deep and filled with
dirty water, an unlikely place to search unless the police knew where to look. It soon turned out that
Pilař hadn't made the boxes anyway. They were made by a carpenter in Krčmáň, near Olomouc,
called Jan Kopka, who admitted to knowing their intended use. Also a Communist, Kopka confessed
to the regional police in Brno, the Moravian capital, and was sent to Prague for questioning. There he
was interrogated by Dr. Gorner, the CID chief, who interrupted his confession - and precise
identification of the boxes - to say he was lying, since the police already knew who made the boxes.
Gorner then personally dictated the minutes of the testimony, told the astonished Kopka to sign, and
ordered his release. Later, Gorner telephoned to the secret police in Olomouc - his call was tapped -
giving detailed instructions for destroying all traces of the plot.
The democrats were not yet beaten. They brought charges before the District Court of Olomouc,
permitting Drtina's Ministry of Justice to pursue the investigation formally. Kopka was rearrested, and
a search of his carpentry shop revealed a substantial cache of arms: machine guns, hand grenades,
ammunition. On a tip from Kopka, a much bigger arsenal was found at the home of a fellow
Communist, a railwayman named Opluštil. Also arrested, Opluštil confessed that the weapons were
transferred to his house immediately after Kopka's arrest, by the local Party Secretariat. When he
showed a reluctance to hide them, a Commmunist Deputy in Parliament warned him: If you don't do it,
or ever breathe a single word about it, you could be crushed between two cars, or fall off a train,
without anybody ever knowing how it happened. From a chain of supporting confessions, it then
came out that this Communist Deputy, J. Juri-Sosnar, had himself made the bombs for the plot, using
explosives from the Olomouc depot, where a quantity was found bearing the same serial number. He
had been instructed to make them by Gottwald's son-in-law Alexej Čepička.
The trial, scheduled for March, 1948, did not take place for obvious reasons. All those indicted as
accomplices in the plot were released from prison immediately after the February coup; Deputy Juri-
Sosnar was greeted as he came out by a large Communist reception committee and a brass band.
Simultaneously, the non-Communist prosecutor handling the case for the Olomouc court was
arrested, as were all non-Communist witnesses for the prosecution. The last of these witnesses died
in September 10, 1968, without uttering another word on the case; his tongue had been cut out in
prison«; Sterling (1968), S. 52f.
1968 konnte Drtina bestätigen, daß er, ohne Hoffnungen und enttäuscht vom Verhalten seiner
ehemals demokratischen Ministerkollegen, tatsächlich einen Selbstmord geplant hatte; vgl. Sterling
(1968), S. 277. Vgl. auch DER SPIEGEL 12.12.1956, S. 46; Mecklenburg (2004), S. 108-111.
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1810, 18f. |
Vorsitzenden der Nationalsozialisten Peter Zenkl - 13.6.1884-2.11.1975, Gymnasiallehrer
der tschech. Sprache, Autor mehrerer Lehrbücher, Politiker der Volkssozialistischen Partei; 1937-39
Oberbürgermeister (Primator) von Prag, 1938-39 Minister für Soziales, Gesundheit und Sport, März
1939-45 im KZ Buchenwald; 1945-48 Vorsitzender der Volkssozialistischen Partei, 1946-48
Stellvertreter des Ministerpräsidenten. Mit den übrigen bürgerlichen Mitgliedern der Regierung reichte
er aus Protest gegen die Hegemonialbestrebungen der Kommunisten seine Demission ein; emigrierte
nach dem komm. Putsch in die USA. - Die Národný socialistická Partei (národ: Volk, Nation) wird, um
falsche Assoziationen zu vermeiden, heute mit Volkssozialisten übersetzt. Sie stand politisch links
von der Mitte und regierte 1945-48 mit den drei anderen verbliebenen demokratischen Parteien in der
»Nationalen Front« mit den Kommunisten zusammen. Die irreführende Bezeichnung
»Nationalsozialisten« statt »Volkssozialisten« geht auf Claire Sterling zurück, die die demokratische
Mitte-Links-Partei »National Socialists« nennt, vgl. Sterling (1968), S. 51.
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1810, 19 |
Justizminister Prokop Drtina - 13.4.1900-16.10.1980, Jurist und Politiker; 1929-38 Mitarbeiter
der Präsidentenkanzlei der Republik, persönlicher Sekretär des Präsidenten, seit 1928 Mitglied der
Volkssozialistischen Partei; 1939 im Widerstand tätig und nach London geflohen. 1940-45 politischer
Referent der Exilregierung, 1945-48 Parlamentsabgeordneter der Volkssozialisten. Als Justizminister
der ČSR vom November 1945 bis Februar 1948 versuchte er, radikale Tendenzen und Willkür zu verhindern
und führte mit Innenminister Nossek einen Kompetenzstreit über Zuständigkeiten und beschuldigte nach einer
1947 inszenierten »Verschwörung« in Böhmen die Kommunisten, die Sicherheitsorgane zu mißbrauchen,
unternahm deshalb nach dem komm. Putsch einen Selbstmordversuch. Er wurde 1953 zu 15 Jahren Gefängnis
verurteilt, 1960 aus der Haft entlassen und konnte erst 1968 bestätigen, daß er im Gegensatz zu Masaryk
tatsächlich, einen Selbstmord geplant hatte. Memoiren: »Tschechoslowakei mein Schicksal«, 4 Bde., 1982; vgl.
Sterling (1968), S. 277.
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1810, 20 |
Jan Masaryk - s.K. 852, 31f.
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1810, 39 |
Alexej Čepička - 18.8.1910-30.9.1990, Jurist; heiratete 1948 die Tochter
Klement Gottwalds; löste am 25.4.1950 Svoboda als Verteidigungsminister
ab und baute die Armee nach sowj. Vorbild auf; im April 1956 seiner Ämter
in Regierung und Partei enthoben.
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1811, 1 |
Klement Gottwalt - Richtig: Gottwald; in der zweibändigen Taschenbuchausgabe
berichtigt; s.K. 1810, 3-6.
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1811, 1f. |
die Sache mit dem Erzbischof - Das kann sich auf Erzbischof Beran (s.K. 1810, 3)
beziehen oder auf den Erzbischof von Olmütz Josef Karel Matocha. Matocha
war seit Ostern 1950 jegliche seelsorgerische Tätigkeit in seiner Diözese verboten,
von Juni 1954 bis zu seinem Tod am 2.11.1961 lebte er in seiner Residenz
in strenger Haft.
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1811, 12 |
Brno - s.K. 1028, 1.
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1811, 20f. |
Was sagen denn deine Italiener dazu - Beim Niesen würden sie »salute« sagen,
also »Gesundheit«, aber ob das gemeint ist?
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1811, 34f. |
»gefärbte« Arbeiter - (engl. wörtl. übersetzt) coloured workers; s.K. 218, 13.
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1811, 37 |
Alles neu macht der Mai - Melodie des Lieds nach einer volkstümlichen Weise
aus dem 18. Jh., Text: Hermann Adam von Kamp, 1829:
Alles neu macht der Mai,
macht die Seele frisch und frei.
Laßt das Haus, kommt hinaus,
windet einen Strauß!
Rings erglänzet Sonnenschein,
duftend prangen Flur und Hain;
Vogelsang, Hörnerklang tönt den Wald entlang.
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1812, 4f. |
All the bungalow ... kiss my dick - (engl.) Alle Leute aus den Bungalows küssen
meinen Schwanz.
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1812, 26f. |
einstöckige Wüstenei - s.K. 20, 33f.
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1812, 28f. |
»Die Einsamkeit des ... modernen amerikanischen Gesellschaft« - Vermutlich
David Riesman with Nathan Glazer and Reuel Denney: The Lonely Crowd. A Study of the Changing American Character, New Haven 1950 (dt. »Die einsame Masse«, 1958).
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