31. Juli 1968
1680, 20-24 Die New York ... eines Nachrichtenwertes entbehrend - Das Foto aus der NYT vom 31.7.1968 zeigt einen Hubschrauber von unten, an dem ein paar Kisten baumeln, die Bildunterschrift lautet: »A helicopter near the DMZ in South Vietnam getting started on a supply run to Marine hilltop outposts. Little activity in the area was reported yesterday.« Johnson hatte über seinen Ausschnitt geschrieben: »P.K.-Foto ohne Nachrichtenwert«.

1680, 25-31 Die Herren des ... Sowjets, blau lackiert - Vgl. den Artikel »Two Sides at Cierna Talks Keep Their Distance« der NYT vom 31.7.1968: »After a long day of discussion with their Czechoslovak counterparts, the leaders of the Soviet Union were reported to have stamped out of the two-story [sic] Junction Club in Cierna at 10:30 last night and boarded their train. They looked angry [...].
The leaders of the two countries thus far have failed to take a single meal together. At meal breaks, each delegation has gone its separate way - the Russians to their green train pulled up in the Cierna station across from the railwaymen’s social center - the Junction Club - and the Czechoslovaks to their blue train nearby«; s.K. 1668, 35-1669, 9.

1680, 25 Kreml - s.K. 138, 39.

1680, 25 Hradschin - s.K. 938, 2.

1680, 25 Kosice - s.K. 1358, 33.

1680, 32-
1681, 2
Die Pravda, das ... Verweilen im Lande - Der Auszug aus dem »Neuen Deutschland« stand nicht in der »Prawda«, sondern in der »Iswestija« (russ. Neuigkeit). Aus dem Artikel »Letter Attributed to Prague Workers Backs Soviet« der NYT vom 31.7.1968 ist nicht ersichtlich, ob es sich bei dem Bericht des »Neuen Deutschlands« um den schon am 28.7.1968 erwähnten Text (s.K. 1657, 25-30) handelt: »A letter attributed to Czechoslovak workers urging that Soviet troops be stationed in their country was printed today by Pravda, the Soviet Communist party newspaper.
The letter, bearing 98 signatures, criticized widespread demands in Czechoslovakia that Soviet soldiers, lingering after Warsaw Pact Maneuvers, leave the country. [...]
In an effort to underline the letter’s authenticity, the paper published a photographic reproduction of the signatures, by workers at the Auto-Praha factory in a Prague suburb. [...]
Izvestia [...] reprinted a dispatch from the East German party organ Neues Deutschland. It said that counterrevolution need not take the form of street fighting and public execution of Communists, as in Hungary in 1956.
›To an observer walking along the streets, life might seem quiet and normal,‹ the dispatch said. ›In the ideological and political background, there are events and even changes in the points of view of the leadership revealing counterrevolutionary tendencies. The methods of counterrevolution need not always be the same. They can change.‹«; s.K. 1876, 23-28; Pravda: s.K. 190, 29.

1681, 2 einen Verweilen - Druckfehler in allen Ausgaben (diesmal nicht aus der NYT übernommen), richtig: ein Verweilen.

1681, 3-7 Und ein Stadtrat ... und Lexington aushalten - Vgl. den Artikel »Low Lives the Life of a Slum Tenant« der NYT vom 31.7.1968: »City Councilman Robert A. Low, who masquerades in various roles to learn at first-hand about jobs and living conditions, disclosed yesterday that he had been living in East Harlem tenements for a week ›to learn about life in the slums.‹
Mr. Low, a Manhattan Democrat who represents the Upper East Side [...] posed as a writer named Bob Lowell while living at 111 East 119th Street, between Park and Lexington Avenue. [...]
Mr. Low [...] said he had seen no rats in the building in which he lived at 111 East 119th Street, but he had observed many roaches.
›I don’t think the rats could stand the building,‹ he said.«

1681, 13f. der emaillierten Darstellung verschlungener Hände - Das ovale Abzeichen der SED; die Hände vor einer roten Fahne sollten die Vereinigung von KPD und SDP versinnbildlichen; s.K. 1361, 10f.; s. 1715, 35; 1823, 15f.; 1844, 31f.

1681, 18-20 an der geklebten ... sie denn marschieren - s.K. 1669, 39-1670, 1.

1681, 30f. den Wartestand als...ein volles Jahr - Für eine Lehrerin der John-Brinckman-Schule, die als eine Vorlage für Bettina Selbich gesehen wird, wurde nach dem Prozeß gegen einige Schüler (s.K. 1713, 24-1721,16) die Verleihung der vorgesehenen Auszeichung »Verdienter Lehrer des Volkes« ausgesetzt; vgl. Moeller (1999), S. 90; s.K. 1649, 4.

1682, 12 die Schüssel - Druckfehler, richtig: die Schlüssel.

1682, 18 Zentrale Schulgruppenleitung - s.K. 1559, 16f.

1682, 22f. Unter den Krallen ... Picassos gesträubter Taube - s.K. 1628, 31f.

1682, 23 Lockenvitz und Gollantz - Muß heißen: Siebold und Gollantz, Lockenvitz geht weiter zur Schule; s. 1682, 28.

1682, 24f. Universität Rostock - 1419 gegr., älteste Universität im Ostseeraum. Johnson studierte hier 1952-54 Germanistik.

1683, 2-
1683, 20
Als erstes Mitglied ... von Canterbury - Es war in der DDR der fünfziger Jahre üblich, bei Versammlungen ein Ehrenpräsidium zu wählen, in dem nicht anwesende (und z.T. auch verstorbene) Personen ›saßen‹.

1683, 6f. die Erschließung des Großen Nördlichen Seeweges - Der zeitweilig nach Stalin benannte Weißmeer-Ostseekanal von Bjelomorsk durch den Wyg- und Onegasee nach Leningrad ist 227km lang, hat 19 Schleusen und ist sechs Monate im Jahr vereist. Er wurde 1931-33 hauptsächlich von Strafgefangenen gebaut, von denen mehrere Hunderttausend bei den Arbeiten starben. Der Kanal wurde am 2.8.1933 eröffnet.

1683, 7f. Trockenlegung der Sümpfe der Kolchis – Die Kolchida-Niederung beidseitig des Flusses Rioni in Georgien versumpfte durch jährliche Überschwemmungen und wurde zum Brutgebiet der Malariamücke. Seit Mitte der 30er Jahre wurden der Rioni und seine Nebenflüsse eingedämmt, Mäander begradigt, Ableitungskanäle angelegt und Eukalyptusbäume gepflanzt, so dass in der Ebene Zitrusfrüchte und Tee angebaut werden konnten; vgl. www.interpraevent.at [Zugriff vom 26.7.2011].

1683, 9f. des genialen Werkes ... Fragen der Sprachwissenschaft - Johnson besaß zwei Ausgaben des 1950 zuerst auf dt. erschienenen Werkes: Josef Stalin: Der Marxismus und die Fragen der Sprachwissenschaft, Berlin (Ost) 61955 sowie Josef Stalin: Marxismus und die Fragen der Sprachwissenschaft und N. Marr: Über die Entstehung der Sprache, München 1972. »Genial« und »weise« waren stereotyp gebrauchte Attribute für Stalin; s.K. 1659, 6-11; s. 1815, 1f.

1683, 11 Boleslaw Bierut - 18.4.1892-12.3.1956, Drucker, poln. Politiker; seit 1918 Mitglied der KP, seit 1921 für die Komintern tätig; 1933 in Polen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt; nach der dt. Besetzung im sowj. Exil, 1943 Mitbegründer der Polnischen Kommunistischen Arbeiterpartei, 1944 Vorsitzender des Nationalrates, 1947-52 Staatspräsident, 1952-54 Ministerpräsident, seit 1948 Vorsitzender und seit 1954 1. Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei.

1683, 13f. Den Genossen Mao ... des Genossen Stalin - s.K. 161, 25.

1683, 14-18 Schriftsteller Thomas Mann ... den Knopflöchern scheint - Thomas Mann (6.6.1875-12.8.1955) hielt Gedenkreden zu Goethes 200. Geburtstag am 25.7.1949 in Frankfurt am Main (»Ansprache im Goethejahr«) und am 1.8.1949 in Weimar (»Goethe und die Demokratie«). Letztere wurde von vielen kritisiert, darunter auch von Eugen Kogon mit einem »Offenen Brief«, angesichts der Tatsache, daß Buchenwald wieder zum Lager geworden war und Mann darüber bei seinem Weimar-Aufenthalt geschwiegen hatte (s.K. 1687, 15-17). Der Goethe-Nationalpreis der DDR und die Ehrenbürgerwürde wurden ihm 1949 in Weimar verliehen, die dazugehörige Geldprämie spendete Mann für den Wiederaufbau der Weimarer Herderkirche. Johannes R. Becher feierte ihn als einen Bekämpfer des »Antibolschewismus«; vgl. SBZ (1956), S. 107; vgl. auch: Johnson, Lübeck habe ich ständig beobachtet; s.K. 1685, 7-21.
In JT finden sich Zitate und Anspielungen aus folgenden Werken Thomas Manns: »Buddenbroocks« (s.K. 16, 20-18, 20; 86, 32f.; 305, 4-310, 37; 415, 3; 504, 10f. ; 691, 22 ; 1591, 32); »Zauberberg« (s.K. 124, 17; 204, 15; 510, 23f.; 524, 28f.; 524, 37-525, 1; 897, 16-19; 1000, 20f.) »Königliche Hoheit« (s.K. 39, 3; 114, 37f.; 124, 17; 137, 2); »Tonio Kröger« (s.K. 415, 3; 1374, 2-18; 1415, 34-36; 1462, 17-1463, 1; 1664, 7); »Kleiner Herr Friedemann« (s.K. 415, 3); »Tristan« (s.K. 1287, 25-1288, 6); »Versuch über Schiller« (s.K. 1374, 2-18);»Die Forderung des Tages« (s.K. 1394, 9); »Vision« (s.K. 1591, 32); »Wälsungenblut« (s.K. 1591, 32); »Bilse und ich« (s.K. 1705, 24).
Das Foto 183-30557-0008 des Bundesarchivs von 1955 zeigt vermutlich Uwe Johnson unter den Zuhörern von Thomas Manns Rede zum Schiller-Jubiläum am 14.5.1955 in Weimar; vgl. Schmidt (2011).

1683, 15 seinen verstorbenen Bruder - Heinrich Mann (27.3.1871-12.3.1950), dt. Schriftsteller; emigrierte 1933, erhielt 1949 den ersten Nationalpreis der DDR für sein Gesamtwerk und wurde zum Präsidenten der Akademie der Künste (Ostberlin) ernannt, starb vor seiner geplanten Übersiedlung in die DDR.

1683, 16 Goethe-Nationalpreises - Goethe: s.K. 1397, 28; Nationalpreis: Höchste Auszeichnung in der DDR für Einzelpersonen und Kollektive, die für wissenschaftliche wie für »hervorragende Leistungen auf den Gebieten der Kunst und Literatur« verliehen wurde; 1949 gestiftet, Geldprämie je nach Klasse 100.000, 50.000 oder 25.000 DM. (»Das Geld ist ja ganz schön, aber die Schande«, Volksmund); s.K. 1819, 38; s. 1816, 26.
Später nie mit dem Zusatz »Goethe« nachweisbar; vermutlich anläßlich des 200. Geburtstags Goethes einmalig so benannt.

1683, 18-20 Den Verfasser des ... Dekan« von Canterbury - Hewlett Johnson (25.1.1874-22.10.1966), engl. Theologe; Studium der Naturwissenschaften (und Dissertation über Wasserbau), später der Theologie; 1905 Priesterweihe; Hg. der für radikale Ideen bekannten Zeitschrift »The Interpreter«; 1924 Domdechant von Manchester, 1931 von Canterbury. Obwohl er wegen seines Talents als Prediger und seines sozialen Engagements angesehen war, wurde er wegen seiner politisch linken Einstellung (er wurde »Red Dean« genannt) von der Kirche kritisiert. Er wandte sich trotz der Berichte über Terror und Schauprozesse nicht von der KPdSU ab, saß im Vorstand der komm. Zeitung »Daily Worker«. Sein weit verbreitetes Buch »The Socialist Sixth of the World«, 1939, berichtet begeistert über sowj. Errungenschaften. Er wurde 1951 mit dem Stalin-Friedenspreis ausgezeichnet; mußte 1963 als Dekan zurücktreten.

1683, 31-33 Der verbrecherische Einmarsch ... die nördliche Republik - s.K. 1244, 21.

1683, 37-39 dem neugewählten Generalsekretär ... Einheitspartei W. Ulbricht - Auf dem III. Parteitag (20.-24.7.1950) gewählt; s.K. 993, 8.

1684, 1 Sachwalter - s.K. 993, 8; 1138, 30.

1684, 4 Kreikemeyer und Konsorten - Willi Kreikemeyer (11.1.1894-31.8.1950), Maschinenschlosser; 1918 USPD, 1919 Spartakusbund, 1919 KPD, seit 1924 KPD-Funktionär, Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg. Kreikemeyer und seine frz. Frau Marthe hatten im unbesetzten Teil Frankreichs eng mit Noel H. Field zusammengearbeitet und vor allem Kommunisten mit Geld und Lebensmitteln unterstützt (u.a. auch den späteren Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit Erich Mielke). Vielen halfen sie bei der Ausreise nach Mexiko und in die USA. Ende Januar 1946 nach Berlin zurückgekehrt, stieg Kreikemeyer schnell bei der Deutschen Reichsbahn auf: seit dem 21.2.1946 persönlicher Referent des stellv. Generaldirektors der Deutschen Reichsbahn, 21.5.1946 Oberreichsbahnrat und Personaldezernent der Reichsbahndirektion Berlin, 1.10.1946 Vizepräsident, 1.3.1947 Präsident der Reichsbahndirektion Berlin, 20.1.1949 Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn für die SBZ/DDR. Im Zusammenhang mit der Noel-Field-Affäre wurde er auf Beschluß des ZK aus der SED ausgeschlossen. Der vermutlich auf den 24.8.1950 rückdatierte Beschluß wurde am 1.9.1950 im »Neuen Deutschland« veröffentlicht. Am 25.8.1950 verhaftet, beging Kreikemeyer angeblich am 31.8.1950 Selbstmord in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit Berlin-Hohenschönhausen; nach anderen Zeugenaussagen war er 1951 noch am Leben; vgl. Kießling (1998), der das spurlose Verschwinden darin begründet sieht, daß er Erich Mielke hätte gefährlich werden können. Mielke gab in seiner offiziellen Biographie stets an, während des Krieges auf der Seite der Roten Armee im Osten gekämpft zu haben, obwohl er sich tatsächlich in Frankreich aufgehalten und dort u.a. für die Organisation Todt gearbeitet hatte.
Zeitgleich mit Kreikemeyer waren die Funktionäre Paul Merker, Bruno Goldhammer, Lex Ende, Leo Bauer und Maria Weiterer aus der SED ausgeschlossen worden. Bruno Fuhrmann, Hans Teubner, Walter Beling und Wolfgang Langhoff wurden aller ihrer Funktionen enthoben.
Bauer, Mitglied der KPD seit 1928, war nach dem Krieg Vorsitzender der hessischen Landtagsfraktion und Chefredakteur des Deutschlandsenders gewesen. Er hatte mit Hilfe Erica Glasers Hans Mayer aus der Schweiz zurückgeholt und ihm in Frankfurt a.M. eine Anstellung verschafft. Bauer wurde als US-Agent und »Renegat« zum Tode verurteilt, zu Arbeitslager begnadigt, am 20.10.1955 in den Westen abgeschoben, er starb an den Folgen seiner Haft in Sibirien. Vgl. Fricke (1982), S. 94f.; DER SPIEGEL 6.7.1950, S. 7-8; 6.9.1950, S. 5f.; s.K. 1684, 4f.; 1685, 27-32; 1685, 32f.; 1685, 34f.; 1685, 36-1686, 2; 1686, 4-7.

1684, 4f. amerikanischen Provokateurs Noel H. Field - Druckfehler: Der Punkt hinter »Noel« wurde erst in der einbändigen Ausgabe entfernt.
Noel Haviland Field (23.1.1904-15.9.1970), Jurist, Quäker; gründete als Student einen Weltfriedensbund, Kriegsbeobachter des amerik. State Department im Spanischen Bürgerkrieg; rettete als Leiter des Unitarian Service Committee (USC) der Unitarischen Kirche beim Genfer Völkerbund einer Vielzahl von Flüchtlingen das Leben; hatte Kontakte zum amerik. Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS) und dessen Chef Alan Welsh Dulles (7.4.1893-29.1.1969), einem Studienfreund, zum Zwecke der Information und Unterstützung des dt. Widerstandes gegen die Nazis. Er verteilte die Gelder des »Antifaschistischen Flüchtlingskomitees«. Nach Kriegsende halfen er und seine Pflegetochter Erica Glaser, die beim OSS als Übersetzerin angestellt gewesen war, mit Unterstützung der amerik. Behörden, komm. und sozialdem. Emigranten nach Deutschland zurückzuholen (»Koordinationsstelle für Nachkriegshilfe«), und organisierten medizinische Hilfe für Ostblockländer. Field, der sich Kommunist nannte, ohne Parteimitglied zu sein, fürchtete, vor dem Senatsausschuß zur Untersuchung »unamerikanischer Umtriebe« (s.K. 1129, 25) angeklagt zu werden. Ob er nach Prag flüchtete oder gelockt wurde, ist unbekannt, er wurde dort Ende April 1949 verhaftet, ebenso seine dt. Frau Herta am 26.8. Sein Bruder Hermann wurde in Polen verhaftet, wo er bis 1954 gefangen blieb. Seine Pflegetochter wurde am 26.8.1950 in Ostberlin verhaftet, 1952 zum Tode verurteilt, in der Sowjetunion 1953 zu 15 Jahren Strafarbeit begnadigt; bis zu ihrer Freilassung 1956 verlegte sie in Workuta Eisenbahnschienen. Field wurde am 11.5.1949 nach Budapest gebracht. Um seine Unschuld zu beweisen, stellte er eine Liste mit 562 Namen auf, viele davon Kommunisten, was im Juni/Juli 1949 eine Verhaftungswelle auslöste. Er gestand nach Verhören und Folterungen, ein amerik. Spion zu sein. Nach dem Vorbild der Schauprozesse gegen Traicho Kostow, Laszlo Rajk, Tibor Szönyi und Rudolf Slánský, den komm. Führern in Sofia, Budapest und Prag, wurde er angeklagt, eine Verschwörung gegen die UdSSR angezettelt zu haben. Field und seine Frau wurden fünf Jahre getrennt in Zellen im Keller einer Budapester Villa gefangengehalten und am 17.11. 1954 mit der Erklärung freigelassen, die gegen sie erhobenen Beschuldigungen seien nicht zu rechtfertigen gewesen. (Allein Kontakt zu den Fields war für Dutzende ein für eine Verurteilung ausreichender Beweis für Spionage und Verschwörung gewesen.) Sie erhielten eine großzügige Entschädigung und baten in Ungarn um politisches Asyl. Field verurteilte den Aufstand von 1956 als Konterrevolution und wurde 1957 Mitglied der ungar. komm. Partei, zahlte aber seit August 1968 keinen Beitrag mehr. Vgl. Wallach [Erika Glaser] (1969); Fricke (1979), S. 586; DER SPIEGEL 6.9.1950, S. 5f.; 1.11.1950, S. 5f.; 26.12.1956, S. 36-41; »Das Neue Deutschland« vom 24.8.1950; »Noel Field - der erfundene Spion«, Dokumentarfilm von Werner Schweizer, in Zusammenarbeit mit René A. Zumbühl und Thomas Grimm, Susi Koltai und Kathrin Plüss, Schweiz 1996: Arendt (2004), S. 110, 113.

1684, 8-10 Interview des westdeutschen ... neuen deutschen Truppe - Das Interview mit Jack Raymond, dem Deutschlandkorrespondenten der NYT, erschien am 18.8.1950, in dem »Adenauer von der ›Notwendigkeit [...] einer starken deutschen Verteidigungskraft‹ sprach, um die Volkspolizei-Einheiten, die ›offensichtlich die Grundlage für eine echte Angriffsmacht‹ seien, erfolgreich abwehren zu können. Doch einige Stunden später wurde er ganz konkret: er bat die drei Hochkommissare, ihm den Aufbau einer ›Abwehrtruppe‹, einer ›Verteidigungsmacht‹, zu gestatten, die er ›bis zum Frühjahr 1951 [...] in Form einer freiwilligen Formation bis zu einer Gesamtstärke von 150000 Mann‹ zu errichten gedenke«; vgl. Baring (1982), S. 145; Adenauer: s.K. 116, 12f.; Wiederbewaffnung: s.K. 1731, 1-5.

1684, 11f. Wir sind die Junge Garde - Text: Heinrich Arnolf, Melodie: Zu Mantua in Banden, 1844.
    Dem Morgenrot entgegen, ihr Kampfgenossen all,
    bald siegt ihr allerwegen, bald weicht der Feinde Wall.
    Mit Macht heran und haltet Schritt!
    Arbeiterjugend will sie mit?
    Wir sind die junge Garde des Proletariats.
(und so noch sechs weitere Strophen)

1684, 16f. mit ihrer Neugier ... Marschrichtung der F.D.J. - s.K. 1669, 39-1670, 1.

1684, 20f. diversija - (russ.) 1. Ablenkungsmanöver, 2. Sabotage; lat. diversitas: Verschiedenheit, Unterschied, Widerspruch; diversus: u.a. feindlich, abweichend.

1684, 37 Smoekbarg - s.K. 1434, 16.

1684, 39 Dänschenhagen - s.K. 1432, 14.

1685, 3 Domhof - s.K. 1434, 1.

1685, 4f. über die Pfarrwiesen ... Pappelreihen vorm Stadtsee - Mit den Pfarrwiesen könnten die Domwiesen zwischen Stadt und Sumpfsee gemeint sein. Von einer oberen Wohnung konnte man in den sechziger Jahren bis zum Sumpfsee sehen.

1685, 7-21 Thomas Manns Unterschrift ... Stockholmer Aufruf gesetzt - Das Zitat 1685, 11-21 entstammt einem Brief Thomas Manns vom 3.4.1951 an die Redaktion des »Aufbau«; vgl. Mann (1974), Bd. 3, S. 198. In einem Brief an den Verlagsunternehmer Arnoldo Mondadori vom 19.5.1950 hatte Thomas Mann geschrieben: »Wenn ich den Stockholmer Antrag gegen die Atombombe unterzeichnete, so geschah es, weil er mir nicht als kommunistisch, sondern als eine rein humanitäre Aktion dargestellt wurde«; vgl. ebd., S. 151. Der letztere Brief trägt folgende Anmerkung: »Gedächtnisfehler; de facto hatte T.M. es abgelehnt, den Antrag zu unterzeichnen. Siehe auch Brief vom 3.IV.1951«; vgl. ebd., S. 527. Johnson hatte beide Briefe, aber nicht die Anmerkung angestrichen. Vgl. auch Thomas Mann, »Ich stelle fest«, in: Mann (1974), Bd. XI, S. 796f.

1685, 7f. Stockholmer Appell - Vom Ständigen Komitee des Weltfriedenskongresses wurde am 19.3.1950 der als »Stockholmer Appell« bezeichnete Aufruf aufgesetzt, Atomwaffen zu bannen. Hintergrund war das beginnende atomare Wettrüsten: Am 23.8.1949 hatte die Sowjetunion ihre erste Atombombe gezündet, im Januar 1950 der amerik. Präsident den Bau einer Wasserstoffbombe angeordnet. Im Juni 1950 sollten schon über 100 Mio. Unterschriften gesammelt worden sein, obwohl, nachdem die »Prawda« erläutert hatte, wie sie den Appell interpretierte, einige ihre Unterschrift zurückzogen (s.K. 1724, 34-1725, 13); vgl. DER SPIEGEL 27.7.1950, S. 13f.; s. 1685, 13, 21; 1822, 36.

1685, 21 © Katja Mann - s.K. 116, 25.

1685, 21 Katja Mann - Katharina Mann, geb. Pringsheim (24.7.1883-25.4.1980), Tochter des Mathematikprofessors Alfred Pringsheim, jüd. Herkunft; heiratete Thomas Mann am 11.2.1905; sie hatten sechs Kinder. Katja Mann war schon zu Thomas Manns Lebzeiten für Verlagskontrakte, Interviews, Manuskript- und Bücherbegutachtung zuständig; »Meine ungeschriebenen Memoiren«, 1974.

1685, 24 Unitarier - Besonders in den USA verbreitete Sekte, die das Trinitätsdogma ablehnt und nur Gott als Vater anerkennt, ihre Anhänger vertreten ein liberales, rationales Christentum.

1685, 27-32 Im Mai 1949 ... seine Zusage zurück - Am 21.5.1949 begann ein Streik der in Westberlin lebenden Eisenbahner, da SMAD und Reichsbahn es ablehnten, ihren Lohn in Westmark zu zahlen. Am 2.6.1949 lehnten die Eisenbahner das Angebot von 60% des Lohnes in Westmark ab, der Streik endete am 28.6.1949 mit der Zusicherung von 60% in Westmark und Nichtmaßregelung der Streikenden. Für mehrere Monate zahlte der Westberliner Magistrat 40% des Lohnes in Westmark; vgl. DER SPIEGEL 6.9.1950, S. 6f.; SBZ (1956), S. 103-105; Berlin (1962), Mai bis Juni 1949; s.K. 1685, 34f.

1685, 32f. Ein Toter bei ... auf seine Kappe - In Berlin (1962) ist mehrmals von Verletzten die Rede, z.B. S. 251: »22.5.[1949]: Am Bahnhof Charlottenburg kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Bahnpolizei, streikenden Eisenbahnern und der Bevölkerung, bei denen sieben Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt werden.« Am 23.5.1949 kam es zu Zusammenstößen am Bahnhof Zoo: »Gegen Abend kommt es zu schweren Auseinandersetzungen, bei denen der fünfzehnjährige Bernhard Neumann aus Charlottenburg durch einen Kopfschuß getötet wird«, ebd., S. 255.

1685, 34f. Am 28. Mai ... Rache zu unterlassen - Vgl. Berlin (1962), S. 262f.: »28.5.[1949]: Der Generaldirektor der Reichsbahn in der sowjetischen Besatzungszone, Willi Kreikemeyer (SED), teilt in seiner Antwort an Oberbürgermeister Prof. Reuter mit, daß vom 1. Juni 1949 an für alle Leistungen der Reichsbahn in den westlichen Sektoren ausschließlich DM (West) entgegengenommen werde. [...] Zugleich werde die Reichsbahn ab 1. Juni 1949 bis zur ›endgültigen Klärung der Berliner Währungsverhältnisse‹ den Westberliner Eisenbahnern mindestens 60% ihrer Bezüge in DM (West) auszahlen.« Zum 31.5.1949, S. 266, heißt es: »Die Reichsbahndirektion Berlin wird außerdem gegen die streikenden Arbeiter und Angestellten keine Repressalien ergreifen«; s.K. 1685, 27-32.

1685, 36-
1686, 2
Ende Juni brach ... sie verschmäht hatten - Vgl. Berlin (1962), S. 312: »29.6.[1949]: Die Reichsbahndirektion Berlin (RBD) entläßt fristlos einen Tag nach Wiederaufnahme der Arbeit entgegen den eigenen und sowjetischen Zusagen 380 Angestellte und Arbeiter oder versetzt sie in Dienststellen der sowjetischen Besatzungszone. [...] Sie begründet diese Maßnahme mit der bereits während des Streiks durchgeführten anderweitigen Besetzung dieser Berliner Arbeitsplätze. Außerdem teilt sie 800 Arbeitern und Angestellten mit, daß sie Löhne und Gehälter in Zukunft nur in DM (Ost) erhalten werden, da die RBD während des Streiks ihren Sitz aus der amerikanischen in den sowjetischen Sektor verlegt habe, Willi Kreikemeyer (SED) streitet gegenüber Bürgermeister D. Friedensburg jede Kenntnis von diesen Vorgängen ab, will jedoch diese Angelegenheit überprüfen.«

1686, 3f. Verfassung, die ein ... zu achten vorgab - Artikel 41 der Verfassung der DDR vom 7.10.1949: »Jeder Bürger genießt volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung steht unter dem Schutz der Republik«; s. 1848, 21f.

1686, 4-7 er versprach den ... die Fahrten ab - Am 31.7.1949 trafen sich 18.000 Zeugen Jehovas aus der SBZ und Berlin zu einer Bezirksversammlung in der Berliner Waldbühne. Vgl. Berlin (1962), S. 353: »31.7.[1949]: In einer Entschließung protestierten die Zeugen Jehovas gegen die Verbote und Einschränkungen ihrer Gottesdienste, gegen die religiöse Hetze und die Diffamierung ihres Glaubens in der sowjetischen Besatzungszone sowie gegen die Willkürmaßnahmen des Generaldirektors der Reichsbahn in der sowjetischen Besatzungszone, Willi Kreikemeyer (SED), der die seit langem versprochenen und bereits vollbezahlten zwölf Sonderzüge für die Fahrt nach Berlin im letzen Augenblick absagte.«

1686, 5 Zeugen Jehovas - 1878/79 als »Ernste Bibelforscher« von Charles Russell gegr. apokalyptische Sekte, die für 1914 den Anbruch von Gottes 1000jährigem Reich voraussagte. Josephf. Rutherford reorganisierte seit 1917 die Sekte, gab ihr den Namen »Zeugen Jehovas« und verpflichtete alle Mitglieder zum missionarischen Felddienst. Zukünftiges Heil ist von unbedingtem Gehorsam und propagandistischem Eifer abhängig. Die Zeugen Jehovas lehnen alle christlichen Kirchen, aber auch Militärdienst und Wahlbeteiligung ab. Im August 1950 begann in der DDR eine Hetzkampagne gegen die Glaubensgemeinschaft, da sie die Wahlen als Schiebung oder Diktatur bezeichneten, und eine Verhaftungsaktion setzte ein. Am 4.9.1950 verbot das Oberste Gericht die Sekte, da ihre Tätigkeit Kriegs- und Boykotthetze (s.K. 1630, 14) sei. Am 4.10.1950 begann ein Schauprozeß gegen Sektenmitglieder vor dem Obersten Gericht in Berlin mit lebenslänglichen Strafen in mehreren Fällen. Die Zeugen Jehovas blieben bis zum 30.4.1960 verboten, in dieser Zeit waren 3.159 »Bibelforscher« verhaftet und verurteilt worden, nach 1960 noch etliche wegen »Wehrdienstverweigerung«; vgl. Fricke (1964); S. 97f.; Fricke (1979), S. 241-243, 580; s.K. 1793, 34-38; s. 1793, 35.

1686, 8 O.S.S. - Office of Strategic Services, amerik. Geheimdienst, aus dem später die C.I.A. (s.K. 536, 30) hervorging.

1686, 9 bedripst - (nd. ugs.) bedrückt.

1686, 14 Club der Carola Neher - s.K. 340, 29; 340, 32f.

1686, 16 die drei Gelehrten - s. 340, 34f.

1686, 19-23 Was den westdeutschen ... 1950. Eisenhower - Adenower - s.K. 116, 12f.

1686, 22 nordatlantischen Vertrag - s.K. 42, 16f.

1686, 22f. Eisenhower - s.K. 386, 3-5.

1686, 24-30 Was den Präsidenten ... für seine Minderwertigkeit - DER SPIEGEL vom 6.11.1948, S. 9f., berichtet über Truman: »Ueber den zweiten Vornamen konnten sich Trumans Eltern nicht einigen. Der Vater war für Shippe (der Name des Großvaters väterlicherseits), die Mutter für Salomon (Großvater mütterlicherseits). Keiner der beiden Elternteile wollte nachgeben. So wurde schließlich S. daraus.« Über seine vielen Jobs heißt es: »Der Farmerssohn aus dem Mittelwesten, der nach dem Besuch der höheren Schule und mancherlei Gelegenheitsarbeiten (u.a. Laufbursche, Zeitungspacker, Buchhalter und Eisenbahnkontrolleur) zehn Jahre lang die väterliche Farm bewirtschaftete«;Truman: s.K. 1133, 36.

1686, 32 »Tag der Aktivisten« - Nachdem der Bergmann Adolf Hennecke (25.5.1905-22.2.1975) eine Parteihochschule besucht hatte, wurde er von Oberst Tulpanow (s.K. 1371, 12f.) ausgewählt, der dt. »Stachanow« zu werden. Durch eine sorgfältige technische Vorbereitung und Auswahl eines besonders günstigen Stollens konnte Hennecke am 13.10.1948 in der Grube »Karl Liebknecht« (des früheren Steinkohlenwerkes »Gottes Segen«) bei Zwickau sein Tagessoll mit 24,4m³ Kohle um 387% übererfüllen. Das gab den Anstoß zur Aktivistenbewegung. Die Konzeption dieser Wettbewerbsbewegung wurde im Gesetz der Arbeit vom 19.4.1950 festgelegt. Der Titel »Verdienter Aktivist« konnte im Jahr an bis zu 600 Personen verliehen werden und war mit einer Prämie von 1.000 Mark verbunden.

1686, 35f. Die Verwaltung von ... der Einheitspartei übergeben - Die Verwaltungsfunktion der SMAD (s.K. 1059, 18f.) wurde schon am 10.10.1949 aufgelöst und auf die Provisorische Regierung der DDR übertragen.

1686, 38-
1687, 3
Am 15. August ... Hundert noch dazu - Die Wahlen zur Volkskammer, zu den Land- und Kreistagen und den Gemeindevertretungen fanden nach einer Nationalen Einheitsliste nicht im August, sondern am 15. Oktober 1950 statt. Beteiligung: 98,44%, Ja-Stimmen: 99,7%. Die Wähler wurden aufgefordert, ihre Wahlzettel offen zu übergeben, in einigen Wahllokalen fehlten Umschläge bzw. Wahlkabinen; vgl. SBZ (1956), S. 140.

1687, 1 Volkskammer - s.K. 1628, 11-15.

1687, 4 die Prozesse in Waldheim - Nach der Auflösung der sowj. Straflager Anfang 1950 wurden die Häftlinge entlassen oder, wenn sie als NS-Verbrecher galten, an die DDR-Justiz übergeben. Vom 21. April bis Anfang Juli 1950 wurden in 20 Sonderstrafkammern des Landgerichts Chemnitz in Schnellverfahren 3385 (nach anderen Quellen 3308) Urteile gefällt. Die Verhandlungen fanden in der Krankenabteilung des Zuchthauses Waldheim (Sachsen) statt. Sie wurden von der Rechtsabteilung des ZK der SED geplant und kontrolliert, die politische Zuverlässigkeit der Richter war vom Justizministerium überprüft worden. Grundlage der Verfahren war die dt. Übersetzung der in russ. Sprache abgefaßten Protokolle, die Anklageschriften erhielten die Angeklagten am Abend vor der Verhandlung. Zeugen und Öffentlichkeit waren nicht zugelassen, ein Offizialverteidiger wurde nur bei Anklage auf Todesstrafe hinzugezogen. Wahrscheinlich wurden nur zehn Verhandlungen öffentlich als Schauprozesse im Waldheimer Rathaus abgehalten. Die »anderen Urteile ergingen fast nur auf der Grundlage sowjetischer Protokolle, die nicht weiter überprüft wurden, und zwar meistens wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 von 1945 und einer Kontrollratsdirektive Nr. 38 von 1946 auf der Grundlage des Befehls 201 der SMAD. […] Die Richter waren angewiesen, Urteile unter fünf Jahren nur zu erlassen, wenn vorher eine Kommission zugestimmt hatte, zu der Vertreter des Zentralkomitees, des Justizministeriums und der Volkspolizei gehörten. Nur vier Angeklagte wurden freigesprochen, 32 zum Tode verurteilt und die meisten zu Freiheitsstrafen zwischen 15 und 25 Jahren […] Viele Verhandlungen dauerten nur eine halbe Stunde. Viele Angeklagte […] sind nur wegen ihrer Mitgliedschaft in NS-Organisationen verurteilt worden« Wesel (2001), S. 507. Von den 32 Todesurteilen wurden 24 am 4.11.1950 vollstreckt, sechs wurden in Freiheitsstrafen umgewandelt; vgl. Fricke (1979), S. 205-215; s.K. 1687, 35-1688, 1.

1687, 15-17 Thomas Manns Familie ... Sachverwalter im Juli - Der Brief Thomas Manns »An den Herrn Stellvertretenden Ministerpräsidenten Walter Ulbricht« (s.K. 993, 8) befindet sich nicht in der von Erika Mann herausgegebenen Briefausgabe des Fischer-Verlags. Er wurde zwischen dem 10. und 15. Juni 1951 geschrieben, in »DIE WELT« vom 15.6.1963 gekürzt und erstmals vollständig in der »Neuen Rundschau« 101, Heft 2, 1990 veröffentlicht. Der Brief wird auch als Reaktion auf die Vorwürfe, 1949 bei der Entgegennahme des Nationalpreises in Weimar, Buchenwald nicht aufgesucht zu haben, gesehen (s.K. 1683, 14-18). Im Oktober 1952 wurden etwa 1600 der durch Sondergerichte Verurteilten begnadigt, wozu das Schreiben beigetragen haben soll. Es ist nicht beantwortet worden.

1687, 18-34 Zehn Verhandlungen etwa ... Sie Ihre Macht ... - In einer längeren Einleitung erklärt Thomas Mann, daß er eher einen Rat geben als bitten wolle und um des Friedens in der Welt willen schreibe. Er sei kein Kommunist, aber auch kein Anti-Kommunist und überzeugt, daß der Kommunismus den Frieden wolle und deshalb dem Humanismus Vorschub leisten sollte. Da der Kommunismus mit dem Faschismus die Idee eines totalitären Staates teile, müsse er, um »jede Möglichkeit der Gleichsetzung und geflissentlichen Verwechselung auszuschließen [, ...] formlose Grausamkeiten meiden, die ihn äußerlich, für das Auge, aber das heißt: praktisch, auf das Niveau des Faschismus herabsetzen«. Er kommt dann auf die Waldheimer Prozesse zu sprechen, auf die sich der erste Teil des Zitats bezieht. Thomas Mann bittet anschließend namentlich für sechs Verurteilte um Gnade, deren Angehörige ihn angesprochen hatten und deren Vergehen er als unwahrscheinlich, Mitläufertum oder zu hart bestraft darstellt. Er endet, an seinen Ausgangspunkt anknüpfend, mit der Mahnung, daß in einer Zeit der Angst und Spannung zwischen zwei Machtblöcken alles getan werden müsse, um »Haß und Furcht zu mindern« und so den Frieden zu erhalten. Hier folgt der zweite Teil des Zitats - ohne die an anderer Stelle mehrfach gesetzte Anrede, mit dem Schluß: »um diesen Gnadenakt herbeizuführen! Darum bittet, das rät Ihnen ein alter Mann, in dessen Denken und Dichten die Idee der Gnade längst bestimmend hineinwirkt. Das deutsche Wort ›gnadenlos‹ hat einen eigentümlich doppelten Sinn. Es bedeutet zugleich ›unbarmherzig‹ und ›unbegnadet‹. Unbegnadet ist der starre Wahn, allein die ganze Wahrheit und das Recht auf unerbittliche Grausamkeit zu besitzen. Wer aber Gnade übt, der wird Gnade finden. Ihr sehr ergebener (gez.) Thomas Mann«; vgl. Neue Rundschau 2/1990, S. 5-11; Mann (1997), S. 211-218. Die im Roman zitierten Ausschnitte finden sich auch bei Deuerlein (1971), S. 118f.

1687, 35-
1688, 1
Aber der Sachwalter ... und der Tschechoslowakei - Walter Ulbricht hatte für die Waldheimer Prozesse gefordert: »Urteile unter zehn Jahren dürfen nicht gefällt werden«; Wesel (2001), S. 508. Einerseits sollte die Verfolgung von NS-Tätern demonstriert werden, andererseits getestet werden, wie weit die SED die Justiz politisch beinflussen konnte.
Die prominentesten Opfer der Schauprozesse waren in Bulgarien Traicho Kostow, in Ungarn Laszlo Rajk und Tibor Szönyi und in der Tschechoslowakei Rudolf Slánský (s.K. 1415, 11f.); Ulbricht: s.K. 993, 8; Sachwalter: s.K. 1138, 30; 1687, 4.

1688, 6 Vadding - (nd.) Koseform zu Vater.

1688, 8 schwaazn Anzügn - (missingsch) schwarzen Anzügen.

1688, 12 Krakow - s.K. 50, 17.

1688, 17 Dœmelklaas - (nd.) Dummkopf.

1688, 19f. Woans sall de ... kein Voss is - (nd. Redewendung) Wie soll der Hase beweisen, daß er kein Fuchs ist?; s. 1797, 30; zur Funktion der Redewendung im Text vgl. Scheuermann (1998), S. 221, 337.

1688, 21f. Interzonenpaß - s.K. 1436, 32-34.

1689, 4 O.d.F. - Opfer des Faschismus: s.K. 1597, 29f.

1689, 5 C.D.U. - s.K. 1162, 28f.

1689, 14 Sowjetnik - s.K. 1674, 11.

1689, 21 staatl. gepr. dipl. - Staatlich geprüfte diplomierte; s. 1599, 27.

1689, 28-30 Zwar sei der ... Stütze der Hausfrau - Hedwig Dorn: Zur Stütze der Hausfrau. Lehrbuch für angehende und Nachschlagebuch für erfahrene Hausfrauen unter Berücksichtigung ländlicher Verhältnisse, Berlin (10)1922, S. 348: »Der Krebs ist in den Monaten, die kein R haben, am schmackhaftesten.« Johnson besaß ein Exemplar; s.K. 1251, 6-12.

1689, 30-35 auch Frieda Ihlefeld ... in kaltem Wasser - Vgl. Ihlefeld (1920), S. 83: »Krebse und Krabben sollen in den Monaten ohne ›r‹ am besten sein.« S. 96: »Lebendige Krebse werden in kaltem Wasser mit einem Reisbesen gereinigt und in reichlich kochendem Wasser, in das man etwas Salz, einen Stich Butter sowie ein Bund Petersilie getan hat, 12-15 Minuten stark gekocht, bis sie rot sind«; Ihlefeld: s.K. 122, 37-39.

1690, 6 Richtenberger - s.K. 214, 35.

1690, 8-11 Jesu, laß mich ... die Welt verlassen - Siebte und letzte Strophe des Liedes »Hilf, Herr Jesu, laß gelingen, hilf, das neue Jahr geht an«; Text: Johannes Rist, 1607-67; Melodie: Unser Herrscher, unser König.

1690, 12-15 Bliwen Se man ... Niejår ji all - (nd.)
    Bleiben Sie mal bei uns, Frau Abs.
    Ich schmeiß das hin. Diese Loks, diese ausgeleierten Strecken, dieser Signalsalat, da fahre der Teufel. Gutes Neujahr, Gesine!
    Gutes Neujahr Ihr alle.
s. 513, 12.